In den verschiedensten Bereichen haben Managementmethoden aus dem privatwirtschaftlichen Umfeld Einzug in die Öffentliche Verwaltung und NGOs gehalten. Ein Beispiel dafür sind Haushaltsreformprojekte, die dazu führen, dass das Rechnungswesen von  immer mehr öffentlichen Institutionen in Zukunft auch Ergebnisrechnung, Bilanz und Zahlungsrechnung umfasst. Mehrjahresplanungen beenden das Dezemberfieber und Steuerung mittels Controlling ersetzt die Dominanz der Kameralistik.

Dass die öffentliche Verwaltung und NGOs dennoch anders »ticken« als Privatunternehmen wird aber klar, wenn es um die Entwicklung von Zukunftsstrategien geht. Durchaus anerkannte Methoden der Strategieentwicklung und strategischen Steuerung von Unternehmen wie beispielsweise Konkurrenzanalysen oder eine Steuerung mittels Balanced Scorecard gehen an den Herausforderungen vorbei oder greifen zu kurz.

Wirkungen und Zielsystem

Eindimensionale Zielsysteme, deren Fokus auf finanziellen Größen wie Gewinn oder Unternehmenswert liegt, stehen den komplexen Zielsystemen der Öffentlichen Verwaltung und NGOs gegenüber. Letztere streben bestimmte Wirkungen für konkrete  Bevölkerungsgruppen an, wie beispielsweise Verkehrssicherheit oder eine höchstmögliche Anzahl an gesunden Lebensjahren. Die diesbezüglichen Herausforderungen bestehen vor allem darin,

  • Wirkungen gegebenenfalls über Indikatoren überhaupt erst mess- oder beurteilbar zu machen.
  • Transparenz für Maßnahmen-/Wirkungszusammenhänge und die wechselseitigen Beeinflussungen unterschiedlicher Wirkungsziele herzustellen.
  • die Möglichkeiten und Grenzen der eigenen Einflussnahmen im Zusammenwirken mit anderen Stakeholdern zu erkennen und idealerweise in eine Gesamtstrategie zu gießen.
  • dass völlig unterschiedliche Aufgabenbereiche auf ein gemeinsames, immer zu knappes Budget zugreifen.
  • dass in einem übergeordneten Koordinationsprozess die optimale Ressourcenallokation gesucht werden muss. Soll heißen, dass eine Abwägung zwischen Gesundheitszielen und Bildung, sozialem Ausgleich und Wirtschaftsförderung etc. erfolgen muss – also  zwischen Zielen, die zum Teil unabhängig voneinander sind oder aber auch in unterschiedlichen Beziehungen zueinander stehen.
Fazit:

Um Klarheit zu schaffen, braucht Strategiearbeit in öffentlichen Bereichen immer auch eine intensive Beschäftigung mit den Ursache-/Wirkungsbeziehungen im jeweiligen (politischen) Umfeld.

Komplexe Stakeholder-Landschaften

Üblicherweise fehlt in öffentlichen Aufgabenbereichen ein klassischer Marktmechanismus. Das führt dazu, dass Konkurrenten, Mitbewerber und Kunden im klassisch marktwirtschaftlichen Sinn fehlen. Dafür werden diese aber durch eine komplexe Vielfalt an miteinander in mehr oder weniger intensiven Beziehungen stehenden Stakeholdern ersetzt. Strategien können nie nur intern vereinbart und umgesetzt werden, sondern es braucht immer Prozesse der Abstimmung und Einbeziehung der relevanten Stakeholdergruppen.

Fazit:

Ausführliche Stakeholderanalysen sowie professionelle Kommunikations- und Einbeziehungskonzepte sind erfolgskritisch. Daher haben sie bereits in der Projektvorbereitung eine besondere Bedeutung.

Rückkopplungssysteme ersetzen Märkte

Eine weitere Konsequenz aus dem Fehlen klassischer Märkte ist das Fehlen von systemimmanenten Feedbackschleifen aus Angebot und Nachfrage, Akzeptanz von Preis-/Leistungszusammenhängen und Ähnlichem.

Fazit:

Umso wichtiger ist also die »Erforschung« der Leistungsempfänger und deren langfristiger Verhaltensmuster, sei es durch breit angelegte Befragungen oder durch qualitativ-orientierte Methoden der Einbeziehung wie in Fokusgruppen oder Zukunftswerkstätten.

Vor diesem Hintergrund ergeben sich deutlich andere Vorgehensweisen in der Strategieentwicklung, wie die folgenden Projektbeispiele zeigen.


 

Entwicklung einer Kulturstrategie für ein Bundesland

von Franz Schwarenthorer

Bei der Entwicklung von Kulturstrategien sind zwei Spannungsfelder besonders zu berücksichtigen: Erstens Priorisierungen durchzuführen, die für einzelne Stakeholder schmerzhaft sein können und trotzdem möglichst breite Akzeptanz sicherstellen. Und zweitens konkret genug zu formulieren, um Orientierung zu geben, aber gleichzeitig Politik und Verwaltung ausreichend Spielraum zu lassen. Die Besonderheiten bei der Erarbeitung einer Kulturstrategie zeigt das folgende Beispiel einer Prozessgestaltung in einem  österreichischen Bundesland.

Zahlreiche Stakeholder, viele Meinungen

Kunst und Kultur spielen in Österreich für Gesellschaft und Politik eine besondere Rolle. Sie haben viele Funktionen: Sie sprechen beispielsweise Geist und Gefühl durch das Erleben von Schönem oder Irritierendem an und bilden einen Hort für Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Entwicklungen. Das bedeutet, dass die gesamte Bevölkerung Stakeholder einer Kulturstrategie ist.

Bei diesem Beispiel ging es unter anderem darum, den Wert von Kunst und Kultur für die Gesellschaft zu definieren, die Stärken der Szene zu bewahren und dennoch für neue Entwicklungen offen zu sein.

Getragen wurde der Prozess von einem Kernteam, das die Steuerung und die inhaltliche Zusammenführung verantwortete. Die Stakeholdereinbindung geschah auf vielen Ebenen: Mit Mitarbeitern der Verwaltung wurden SWOT-Analysen zu den Kunstaktionsfeldern erstellt. Gleichzeitig wurden mit zirka 60 Akteuren der Kulturszene Interviews durchgeführt und Trends erhoben. Auf Basis dieser Vorarbeiten wurden in einem Kulturgespräch mit 250 Teilnehmern zehn zentrale Themenstellungen (zum Beispiel Kultur und  Identität) diskutiert und Empfehlungen für die Politik erarbeitet.

Mit den daraus entstandenen Inhalten wurden die Eckpunkte der Strategie formuliert und in konzentrischen Kreisen wieder zur Diskussion gestellt: zuerst innerhalb der Verwaltung, dann mit der Politik und weiters mit Kernakteuren der dortigen Kulturszene, um anschließend im Rahmen von vier Viertelgesprächen die Strategie der interessierten Öffentlichkeit vorzustellen und Rückmeldungen einzuholen. Der letzte Schritt umfasste die Ausformulierung und den Beschluss durch die Landesregierung.

Neben einem 40-Seiten-Papier, das allen Bürgern zur Verfügung steht, hat der Prozess vor allem auch die Zusammenarbeit in der Kulturszene verbessert – zwischen Verwaltung und Künstlern, aber auch zwischen den Kulturschaffenden selbst.


 

Strategieentwicklung und strategisches Management im Klinikbereich

von Kurt Mayer

Strategiearbeit im Klinikbereich ist stark von gesundheitspolitischen Vorgaben und gesetzlichen Rahmenbedingungen abhängig. Das Spielfeld, in dem Krankenhäuser ihre Zukunftsgestaltung vornehmen, ist damit sehr herausfordernd.

Der Versorgungsauftrag für Gesundheitsdienstleistungen liegt in Österreich in Händen der Bundesländer. Auf dieser politischen Ebene ist das System sehr zögerlich, wenn es darum geht, Veränderungen vorzunehmen, da Entscheidungen meist mehrheitsfähig sein müssen. Unterdessen steigt auch der Handlungsdruck, weil sich die Medizin und ihr Umfeld permanent und kostenintensiv weiterentwickeln.

Das Management von öffentlichen Krankenanstalten wird daher von der Politik mittlerweile in allen Bundesländern an private Krankenhausbetriebsgesellschaften ausgelagert. Die Erwartungen an diese Holdinggesellschaften sind unter anderem eine Einführung von marktwirtschaftlichen Prinzipien sowie eine Kostenreduktion durch Standardisierung und standortübergreifendes Arbeiten. Dennoch interveniert die Politik immer wieder in Planungen der von ihr gegründeten Betriebsgesellschaften immer dann, wenn deren  betriebswirtschaftliche Ausrichtung die politischen Kräfteverhältnisse verändern könnte. Als Berater verstehen wir Strategiearbeit in diesem Kontext immer als Spannungsfeld von politischen Rahmenbedingungen einerseits sowie Zielen und Schwerpunkten von Krankenhausbetreibern andererseits. Es ist die hohe Kunst einer Strategieentwicklung alle relevanten Perspektiven einzubeziehen und trotzdem einigermaßen zeitnah zu einem Ergebnis zu kommen.

Vier Blickrichtungen

Für den Strategieprozess einer Holdinggesellschaft  arbeiteten wir mit einer Gruppe von zirka 20 Führungskräften im Rahmen eines 1,5-tägigen Workshops mit dem 4-Blick-Modell. Am Beginn sollte der »Blick zurück« vor allem die Identität der Organisation und ihre Entwicklungsphasen vergegenwärtigen. Bei einem »Blick nach außen« wurden Entwicklungen in den relevanten Umwelten sichtbar gemacht. Auf Basis dessen wurden dann in einem »Blick nach vorne« die eigenen mittel- und langfristigen Zukunftsthemen und Ziele bestimmt. Abschließend richteten wir den Blick auf das Handeln: Was muss in den nächsten Monaten bearbeitet werden, damit die langfristigen Ziele erreicht werden? In weiterer Folge wurde auch der Planungs- und Budgetierungsprozess daran angepasst.

Prozesse und Methoden des strategischen Managements sollen den Führungskräften Orientierung geben und die Zukunft der eigenen Organisationen mitgestaltbar halten, um eine leistbare Gesundheitsversorgung auf hohem Niveau auch nachhaltig zu gewährleisten.


 

Basismodell für die Entwicklung von Sportstrategien

von Norbert Quinz

Durch zahlreiche Projekterfahrungen aus Strategieentwicklungsprozessen im Sport entwickelte sich ein Basismodell, das auf unterschiedlichen Ebenen einsetzbar ist. Beispielswiese wurde es in den letzten Jahren auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene für Niederösterreich sowie Lustenau angewendet. Es stellt einen Maximalrahmen dar, der an die jeweilige Ausgangssituation und die konkreten Zielsetzungen angepasst werden muss.

1. Projektvorbereitung: Das Aufsetzen des Projektes zählt zu den Kernerfolgsfaktoren. Die höchste Akzeptanz der Projektergebnisse wird erzielt, wenn relevante Stakeholder in geeigneter Weise in das Projekt eingebunden sind. In dieser Phase werden Vereinbarungen  bezüglich Ziele, Rollen sowie Rahmenbedingungen getroffen und ein Kick-off -Event veranstaltet.

2. Strategischer Rahmen/Grobkonzeption: Ziel dieser Phase ist es, ein klares Bild über die Ausgangslage (Möglichkeiten, Restriktionen, Entwicklungen etc.) zu erhalten, mögliche strategische Entwicklungsoptionen und Inhalte aufzuzeigen sowie erste Schwerpunkte zu setzen. Dafür werden unter anderem SWOT-Analysen und Interviews durchgeführt sowie der strategische Rahmen festgelegt und ein Grobkonzept gestaltet.

3. Stakeholdereinbindung: Hier soll mit geeigneten Instrumenten, wie beispielsweise Großgruppenveranstaltungen oder Befragungen, eine möglichst breite Einbindung von Stakeholdern erreicht und gegebene Rahmenbedingungen sowie Grundelemente der Sportstrategie kommuniziert werden. Auf diese Weise erfolgt die Einbindung in die Entwicklung der Sportstrategie zielgerichtet und konstruktiv. Dadurch werden die Erfahrungen und das kreative Potenzial der Stakeholder besser genutzt sowie realistische Erwartungen geweckt.

4. Finalisierung/Kommunikation: Auf Basis der gesammelten Erkenntnisse und in Abstimmung mit wesentlichen Stakeholdern wird die Sportstrategie finalisiert. In einem Kommunikationskonzept sollen Maßnahmen, wie und auf welchem Weg über die  Sportstrategie kommuniziert wird, festgelegt werden. Weiters sollen in dieser Phase eine Detailausgestaltung, Abstimmung und Qualitätssicherung erfolgen.

5. Umsetzung der Sportstrategie: Die Umsetzung der Sportstrategie zieht meist auch aufbau- und ablauforganisatorische Änderungen in den für Sport zuständigen Organisationseinheiten nach sich. So werden immer wieder auch Sport-Fördersysteme aber auch Organisationsabläufe weiter entwickelt. Oder es werden Strukturen angepasst – bis hin zur Auslagerung von Sporteinrichtungen – um noch bessere Rahmenbedingungen für die Realisierung der Sportstrategie zu schaffen.


 

Strategiearbeit an der Schnittstelle mit den Systempartnern

von Maria Laura Bono

Das Referat für Chancengleichheit und Frauenförderung baut auf die Zusammenarbeit mit externen Systempartnern. Doch die finanzielle Verbindung sichert per se noch nicht die inhaltliche Einigkeit. Die Zielklärung und die Akkordierung der unterschiedlichen Rollen und Beiträge von Verwaltungsstellen sowie freien Trägern sind jedoch unerlässlich, damit die eingesetzten öffentlichen Mittel die für die Gesellschaft erhofften Wirkungen entfalten.

Anfang 2014 waren neun Frauenberatungsstellen an das Frauenreferat des Landes Kärnten lose angebunden. Das weitgehend unübersichtliche und unkoordinierte Angebot entsprach eher bisherigen Gewohnheiten als einer zukunftsorientierten, gezielten Strategie.  Spätestens durch die budgetären Engpässe wurde eines klar: Frauenförderung kann nur durch eine verbesserte Zusammenarbeit aller Akteure im System gelingen. So startete im April 2014 ein eineinhalbjähriger Strategieprozess mit dem Ziel, die Wirksamkeit der  Frauenförderung durch eine klare Positionierung des Referats, eine entsprechende Einflussnahme auf die Arbeitsinhalte der Träger und eine verstärkte Vernetzung unter allen Systempartnern zu fördern.

Der Strategieprozess begann mit der Erarbeitung des Leitbildes – Frauen und Männer sind in allen Lebensbereichen gleichgestellt – als Fundament für jegliches Steuerungsvorhaben. Daraus wurden sechs Wirkungsziele zu den strategischen Schwerpunkten identifiziert. Dazugehörige Teilziele verstärken die strategische Ausrichtung des Referats und können je nach Planungsperiode verschoben werden.

Die vier zentralen Phasen des Strategieprozesses umfassen:

  1. eine Zielklärung durch die öff entliche Verwaltung in Abstimmung mit der Politik.
  2. ein Grundverständnis über Wirkungsorientierung als gemeinsame inhaltliche Basis.
  3. die Entwicklung eines Wirkungsmodells – mit den Trägern als logisches Gerüst für die Feinabstimmung einzelner Leistungen.
  4. eine Vereinbarung des Steuerungskreislaufs für eine strukturierte, zielgerichtete Zusammenarbeit.

Die externen Systempartner waren zu Beginn überwiegend skeptisch und befürchteten unbedachte Einsparungen. Diese distanzierte Einstellung konnte aber überwunden werden und mündete in einer überzeugten und für alle profitablen Zusammenarbeit. Zu den Wirkungen des Prozesses selbst hebt Dr. Slamanig, Leiterin des Frauenreferats, unter anderem die erhöhte Transparenz sowie die gemeinsame strategische Ausrichtung und Rollenklarheit zwischen Verwaltungseinheit und Systempartner hervor.

Dieses Projekt zeigte deutlich: Wenn finanzielle Mittel begrenzt sind, kommt der Strategiearbeit eine entscheidende Rolle zu.