Neue Herausforderungen, neue Möglichkeiten

Die Corona-Zeit hat uns vor allem gelehrt: virtuelles Arbeiten ist nicht nur möglich, sondern funktioniert in vielen Anwendungen großartig. Manche wollen am liebsten gar nicht mehr zurück in die frühere Trainings- und Workshop-Welt mit Reisen, Seminarhotel organisieren, etc. Zugleich sehnen sich viele danach, sich wieder als Team zu spüren, sich wieder persönlich zu treffen, sich ganzheitlich zu begegnen und wahr zu nehmen,  mit Smalltalk und allem was dazu gehört. Auch schwierige Themen und Konflikte scheinen sich in persönlicher Begegnung viel leichter bearbeiten zu lassen.

Schon vor der Corona-Zeit hatten wir und auch viele Unternehmen zahlreiche Web-Meetings durchgeführt, besonders für regelmäßigen Update- und Standard-Meetings. Oft war in Meetings und Workshops der eine oder andere Teilnehmer »zugeschaltet«. Mittlerweile haben wir praktisch alle Seminare in einer virtuellen Form weiter entwickelt (https://www.integratedconsulting.at/seminars/). Auch viele Workshop-Formate werden rein virtuell umgesetzt, beispielsweise der Innovations-Marathon im Rahmen vom Forum Alpbach (https://www.integratedconsulting.eu/insights/high-impact-innovation-goes-online/).
Wie geht es nun weiter? Wir sehen vermehrt den Wunsch auf uns zukommen, das Beste aus beiden Welten zu verbinden – also in hybriden Settings zu arbeiten. Dabei verstehen wir unter »hybriden Settings« die Verbindung von Präsenzmeetings und virtuellen Settings. Das reicht von einer zugeschalteten Person in einem klassisches Präsenzmeeting bis hin zu einem virtuellen Setting, bei dem zumindest zwei Teilnehmer gemeinsam in einem Raum sind (weitere Varianten siehe folgende Seite). In allen Fällen gibt es Herausforderungen bei der Technik aber auch bei der »diskriminierungsfreien« Beteiligung, also keine unfaire Bevorzugung oder Benachteiligung einzelner  Teilnehmer(gruppen). Gleich vorweg: Das klingt einfach, ist es aber nicht. So wie ein hybrider PKW auch eine Menge zusätzlicher Last mich sich herum schleppt, und nur in ausgewählten Anwendungsfällen klare Vorteile gegenüber reinen EVs wie Tesla hat, so scheint es auch bei hybriden Settings zu sein. Es kommt also sehr auf die konkrete Situation an.

Differenzierter Zugang – Prinzipien und Verallgemeinerung

Wenn ein (rein) physisches Meeting nicht möglich ist (z. B. wegen Reisebeschränkungen), empfehlen wir, wenn immer möglich, rein virtuelle Meetings. Dennoch haben wir uns auf eine Lernreise in die Welt der hybriden Settings gemacht. Unsere Fragestellung dabei: Wie können Prinzipien und Spielregeln, Methoden, Rollen und technische Ausstattung gestaltet werden, um eine diskriminierungsfreie Beteiligung dislozierter Teilnehmer ohne technischen Frust zu ermöglichen? Dafür gibt es aus unserer Sicht derzeit keine einfache, allgemein anwendbare Antwort. Es kommt also darauf an:

  • Was das Ziel beziehungsweise Anliegen des Meetings oder Workshops ist (und wieviel interaktive beziehungsweise kreative Arbeit daher erforderlich ist).
  • Welche räumlichen Konstellationen in hybriden Settings kombiniert werden sollen.
  • Und welchen Aufwand man bereit ist, in das hybride Setting zu investieren.

Eine erste wichtige Unterscheidung steckt in der Frage: Was ist das Anliegen und welche Komplexität der Interaktion soll das Meetingdesign abdecken? Steht das Teilen von Information und die Möglichkeit von Rückmeldung und Fragen zu stellen im Mittelpunkt, dann stellt das deutlich geringere Anforderungen als wenn das Design kreative, inhaltliche Dialoge in gemischten Breakout-Groups ermöglichen soll. Zweite wichtige  Unterscheidung: Welche räumlichen/örtlichen Varianten und Kombinationen von hybriden Settings erfordert die Situation (siehe Grafik)? Typischerweise gibt es neben dem Hauptraum (Plenarraum) örtlich verteilte kleinere Gruppen und Einzelpersonen. Dabei macht es einen wesentlichen Unterschied, ob jeder Teilnehmer seine eigene Technik (Kamera, Mikro) hat oder diese gemeinsam genutzt wird. Bei einem dominierenden Plenarraum werden virtuelle Einzelteilnehmer und Remote-Gruppen gerne »vergessen«. Die angestrebte diskriminierungsfreie Beteiligung ist sehr herausfordernd. Dritte wichtige Unterscheidung: Welchen Aufwand ist man bereit zu treiben? Große Events sind mit großem technischen Aufwand gut machbar, wenn man bereit ist, in Tonanlagen, Video- Mischpult, Moderatoren mit Ton- und Bildmeister etc. zu investieren. Settings mit einfachen Mitteln stoßen da häufig an Grenzen – und sind oft auch nicht stabil und robust genug. Und doch ist auch hier viel möglich.

Work in progress: Hybride Settings mit (großteils) einfachen Mitteln

Ein Beispiel: Workshop mit 30 bis 40 Personen mit geplanten Gruppenarbeiten, wobei die größte Gruppe im Headquarter sitzt, drei kleine Gruppen befinden sich in den Filialen, weitere Teilnehmer sind in unterschiedlichen Hotelzimmern. Im Workshop soll es darum gehen, Inhalte (Präsentationen) zu teilen, Rückmeldungen dazu einzuholen, Fragen zu diskutieren, in gemischten Kleingruppen Lösungen auszuarbeiten, die Ergebnisse zu dokumentieren und für alle sichtbar zu machen. Für das Design sollten folgende Prinzipien handlungsleitend sein: Transparenz – von wem kommen welche Beiträge? und (kommunikative) Diskriminierungsfreiheit – alle sind gleich gut einbezogen. Hilfreich ist auch hier ein strukturiertes Herangehen:
Rollen sind bei hybriden Settings sehr ähnlich denen bei virtuellen Meetings. Minimalbesetzung sind zwei Moderatoren. Der inhaltliche Moderator ist für alle gut sichtbar und hörbar – und hat andererseits alle Teilnehmer gut im Blick. Der technische Moderator hat Bild und Ton im Griff, bedient Breakout- Groups, Chats, Menti-Abfragen etc.
Methoden sind großteils wie bei physischen Meetings anwendbar, ergänzt um Möglichkeiten virtueller Tools (Umfragetools wie www.mentimeter.com, digitales Whiteboard wie www.miro.com). Bei Kleingruppen-Methoden stößt man aber schnell an Grenzen.
Spielregeln von Kommunikation und Partizipation werden bei hybriden Settings erweitert, um Regeln zur (diskriminierungsfreien) Einbindung aller Gruppen und besonders in COVID-Zeiten, um Regeln zu Hygiene und Sicherheit.
Technik: Zu diesem Thema gäbe es viel zu sagen und die Erfahrungen wachsen beinahe täglich. Wichtig ist der Blick auf alle fünf Dimensionen: Ton, Bild, Visualisierung, Collaboration und Internet- Verbindung. Einige Praxistipps haben wir auf der folgenden Seite zusammengefasst.

Summary: Empfehlungen aus ICG-Sicht

Aus unserer Erfahrung mit sehr vielen virtuellen und hybriden Meetings können wir Folgendes dazu sagen:

Rein physische Settings (alle Teilnehmer sind vor Ort)
sind einfacher zu moderieren, ermöglichen gute Gruppendynamik, gute Verständlichkeit und gleiche Einbindung aller. Dazu gibt es auch die Möglichkeit für rasche Seitenabsprachen und sozialen Kontakt. Typischerweise sind alle gut bis sehr gut zufrieden. Aktuelle COVID-Maßnahmen sind aber eine echte Herausforderung.

Rein virtuelle Settings
sind aufwändiger zu moderieren, bieten ausreichende Gruppendynamik (wenn alle mit Video dabei sind), gute Verständlichkeit aller, starken Fokus auf die Arbeit und ermöglichen gleiche Einbindung aller. Rasche Seitenabsprachen und sozialer Kontakt sind nur sehr eingeschränkt möglich. Bei stabiler Plattform und wenn alle per Video dabei sind, sind typischerweise alle gut bis sehr gut zufrieden mit der inhaltlichen Arbeit. Der soziale Austausch wird als nicht ausreichend empfunden – andererseits gibt es keine COVID-Einschränkungen.

Hybride Settings (Gruppen sind an verteilten Orten)
bieten leider nicht »Best of both«. Zu oft dominieren die Einschränkungen aus beiden Welten, die nur mit großem Aufwand (Technik, Zusatzrollen) zu minimieren sind. Informelle Kontakte vor Ort sind zwar gut möglich, aber eben nicht diskriminierungsfrei zu gestalten. Genauso kommt es meist zu einer »Schieflage« bei Gruppendynamik und Partizipation – dislozierte Teilnehmer fühlen sich weniger eingebunden, vor Ort Personen fühlen sich eingebremst im Dialog. Typischerweise wird es von keinem der Beteiligten als sehr befriedigend empfunden.

Wenn ein (rein) physisches Meeting nicht möglich ist (z. B. wegen Reisebeschränkungen), empfehlen wir vorrangig rein virtuelle Meetings. Wie beim Hybrid-PKW gibt es aber einige spezielle Anwendungen, wo hybride Settings klare Vorteile und auch Zufriedenheit der Teilnehmer bringen. Dazu einige Beispiele: das temporäre virtuelle Einspielen von Experten oder Resonanzgruppen bei großteils physischen Meetings, bei geringer ortsübergreifender Zusammenarbeit oder primär inhaltliche Meetings mit wenig Gruppendynamik. Wenn die Wahl also auf hybride Settings fällt, nutzen Sie möglichst viele Elemente von virtuellen Meetings – bei den Rollen, aber auch bei der Technik. Achten Sie auf robuste und redundante Technik – so simpel wie möglich.

Anregungen und Praxistipps zum Thema Technik in hybriden Settings finden Sie hier.