„Die Stimmung im Team ist schlecht, es bröselt an allen Ecken“ meinte Herr J. letztens in einer Coaching-Session. „Das viele Homeoffice tut uns nicht gut, die Leute kommen kaum mehr zu Meetings.“

Ja, wir merken es, viele Teams stehen irgendwo zwischen einer gewissen Müdigkeit ob der laufenden Veränderungen der letzten Jahre, und einem neuen Alltag mit Rahmenbedingungen, die vielerorts noch in Aushandlung sind.

Das Spielfeld für Teamführung, in dem sich Führungskräfte aktuell bewegen, ist vielgestaltig:

Zum einen haben sich in vielen Organisationen mobile, dezentrale Formen der Zusammenarbeit etabliert; Teamarbeit und Abstimmung finden zu gewissem Ausmaß virtuell statt. Führen über Distanz bringt Herausforderungen: etwa mit dem Team gut in Kontakt zu bleiben oder ausreichend Einblick in die Arbeit und in Ergebnisse zu haben.

Zum anderen verändert sich die Anforderung an Führung seit einiger Zeit generell: Die komplexen Herausforderungen einer Welt mit dynamischen Entwicklungen und hoher Unsicherheit erfordern ein adaptiertes Handeln, um als Führungskraft gemeinsam mit dem Team erfolgreich zu sein. Flexibles Herangehen in kleinen Schritten statt langfristiger Planung ist gefragt. Führungskräfte können nicht auf alles allein eine Antwort wissen, einsame Entscheidungen werden der Komplexität nicht gerecht.

Und – die Formen, wie Führung gelebt wird, sind im Wandel: Erwartungen an Führung verändern sich, Mitbestimmung und Arbeitsbeziehungen auf Augenhöhe sind gefragt. Mikromanagement und „über die Schulter schauen“, sowie strikte Anweisungen führen nicht zum Ziel. Organisationsformen mit flacheren Hierarchien oder Selbstorganisation spiegeln das wider: Führung ist nicht mehr auf hierarchische Funktionen beschränkt, unterschiedliche Rollen haben leitende und koordinierende Verantwortung.

Was bedeutet das alles für Teamführung? Was braucht es, um unter diesen Rahmenbedingungen Führung wirksam zu gestalten, und mit dem Team gut zusammenzuarbeiten?

Einbindung: Um in Komplexität erfolgreich zu sein, braucht es Mitgestaltung und geteilte Verantwortung. Denn – ein high-performing Team zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass seine Mitglieder effektiv handeln und gute Entscheidungen treffen. Um bei komplexen Fragestellungen bestmöglich zu entscheiden, ist der Beitrag und das Wissen derer gefragt, die am Problem am nächsten dran sind – und das ist häufig nicht die Führungskraft.

Loslassen: Mit der Kraft des Teams führen heißt auch, als Führungskraft einen Schritt zurückzutreten und Kontrolle loszulassen. So wird der Weg frei gemacht, damit das Team agieren und zu voller Kraft auflaufen kann, und die einzelnen Personen im Team sich entfalten können.

Vernetzende Strukturen: Ein gutes Team ist selbstständig, selbstorganisiert und bis zu einem gewissen Grad auch ohne die Führungskraft gut handlungsfähig. Damit dies gelingt, bedarf es einer leitenden Struktur, die ermöglicht, dass die Teammitglieder gemeinsam zielorientiert agieren können, auch ohne laufende Steuerung durch die Führungskraft.

Führen mit der Kraft des Teams – für die Führungskraft heißt das, weniger im Kleinen zu managen und mehr den Rahmen zu setzen, über Ziele und Sinn, über passende Abstimmungsformate und eine leitende Struktur. In letzter Konsequenz kann das auch bedeuten: Ich mache meinen Führungsjob gut, wenn mich mein Team sukzessive weniger braucht (im Sinne von engmaschigem Management).

Wie kann Führen mit der Kraft des Teams gelingen? Wir beobachten, dass diese vier Säulen dabei hilfreich sind:

Den Herzschlag des Teams pflegen – miteinander in Verbindung bleiben

Ja, es geht darum, Kontrolle loszulassen, und gleichzeitig, gut in Kontakt und in Abstimmung zu sein – auch wenn das nach einem Widerspruch klingen mag.

Ein starkes Team braucht einen gemeinsamen Herzschlag – eine gemeinsame Ausrichtung als Team über einen kraftvollen Purpose und gemeinsame Ziele; einen gemeinsamen Lernraum, in dem die psychologische Sicherheit besteht, früh Neues auszuprobieren, Feedback einzuholen und zu geben, und aus Fehlern zu lernen.

Der regelmäßige Austausch im Team hält dies am Leben. Er ist das Gefäß, in dem all das stattfinden und greifbar werden kann. Gerade beim Arbeiten über Distanz sollten Regelmäßigkeit und Rhythmus der Abstimmungen Vorrang vor dem Anlass haben, um nicht nur zusammenzukommen, wenn wichtige Themen oder Entscheidungen anstehen.

Wenn Sie unsicher sind, welche Formate und welche Frequenz es braucht, fragen Sie Ihr Team und entwickeln Sie gemeinsam die passenden Formate für Abstimmung und Lernen.

Orientierung für effektive Umsetzung – eine leitende Struktur

Einige Führungskräfte stellten zu Beginn der Pandemie fest, dass sie im Virtuellen viel am kurzfristigen Abstimmen und „Ausgleichen“ waren, dort wo Klarheit fehlte, zB. zu Zielen, Rollen oder Abläufen.

Doch wie kommt man weg von engem Management und “über die Schulter schauen“, wie gelingt der Schritt zurück? Eine „leitende Struktur“ unterstützt das: sie gibt dem Team ausreichend Information und Orientierung, um seine Kernaufgaben zu lösen, und koordiniert damit das Zusammenspiel des Teams – erfolgreich, auch ohne Eingreifen der Führung.

Eine Möglichkeit, eine solche Struktur zu etablieren, ist mittels Kanban-Board. Es ermöglicht dem Team den Status der gemeinsamen Arbeit im Blick zu behalten, und sich regelmäßig über Fortschritte und Hindernisse auszutauschen.

Welche leitende Struktur braucht Ihr Team? Welche Eckpunkte sollten geklärt sein, und wo gibt es ausreichenden Spielraum dazwischen?

Vernetzende Abstimmungsformate – Formate und Rituale, die Interaktion fördern

Passende Abstimmungsformate sind ein Schlüssel zum Teamerfolg und guter Zusammenarbeit. In vielen Organisationen ist die Zufriedenheit mit Meetings niedrig – zu viel reine Informationsweitergabe, zu wenig Austausch über relevante Fragen und Herausforderungen, zu viel passives Teilnehmen und zu wenig Interaktion.

Um die Interaktion und Selbstorganisation zu fördern, gilt es, passende Formate der Abstimmung zu initiieren, welche die Teammitglieder in aktiven Rollen ins Spiel bringen. Die Grundrichtung ist: weg von Kommunikation, die sternförmig von der Führungskraft zu den einzelnen Teammitgliedern ausgeht, hin zu netzartiger gegenseitiger Unterstützung und Wissensaustausch im Team. Dies gilt sowohl für den Aufbau des Meetings selbst als auch für die Interaktionen dazwischen.

Aus dem agilen Arbeiten kommen zum einen Formate, in denen über die Arbeit selbst und deren Fortschritt gesprochen wird (Stand-up Meetings), und zum anderen solche, in denen über das „Wie“ des Arbeitens als Team reflektiert und gemeinsam daraus gelernt wird (Retrospektive). Tendenziell gilt für Meetings: im Zweifelsfall kürzer und öfter, gut strukturiert, interaktiv mit Dialog, mit Spielregeln und Klarheit, wer in welcher Rolle dabei ist. Reiner Informationstransfer kann über andere Kanäle stattfinden. So wird das Meeting entschlackt und kann dem wirklichen Austausch und dem gemeinsamen Lernen dienen.

Damit diese Räume auch genützt werden können, gilt es, die psychologische Sicherheit zu fördern – etwa durch aktive Einladung zum Dialog – und eine Lernkultur zu schaffen, in der sich jede:r sicher fühlt, in Gesprächen und Meetings die wirklich wichtigen Inhalte anzusprechen.

Wo sehen Sie Potential bei Ihren Meetings und Abstimmungen? Wissen Sie, welche Formate Ihr Team für Know-how Austausch und für kollegiale Beratung zur Lösung komplexer Aufgaben nützt, und welche zusätzlich hilfreich sein könnten?

Spielregeln für die Zusammenarbeit – aktiv vereinbaren statt „es ergibt sich“

Was macht gute Zusammenarbeit im Team aus? Wenn das Zusammenspiel einfach und effektiv ist, wenn die gemeinsame Arbeit ergebnisorientiert ist, und das Miteinander energievoll.

Gemeinsam vereinbarte Spielregeln für die Zusammenarbeit im Team sind eine gute Basis. Startpunkt kann ein gemeinsamer Check im Team sein: Wie passt das, was sich (unausgesprochen) als Arbeitsmodus und Regeln etabliert hat? Die Klärung, wieweit hier ein gemeinsames Bild vorliegt und wo nachjustiert werden muss, kann Konflikten vorbeugen.

Gerade bei Zusammenarbeit über Distanz ist klare Orientierung wesentlich für das Gelingen. Ein aktives Vereinbaren von Grundvereinbarungen hilft, Unausgesprochenes explizit zu machen und Missverständnisse zu vermeiden. Und um die Selbstorganisation im Team zu fördern, sind ebenfalls einige wenige Leitlinien als schlankes gemeinsames Gerüst hilfreich.

Herr J. entschied sich im Coaching schließlich dafür, ein paar Gespräche zu führen und eine Retrospektive mit seinem Team zu machen, um besser zu verstehen, wo sein Team steht, und um die Form der Zusammenarbeit zu reflektieren, die sich unausgesprochen etabliert hatten. Die monatlichen Präsenzmeetings wollte er verbindlicher und mit mehr interaktivem Wissensaustausch attraktiver gestalten, und dazu Impulse aus dem Team einholen.