Die Auswirkungen des Klimawandels sind in den letzten Jahren und Monaten immer dramatischer geworden: Weltweite Waldbrände in bislang ungekanntem Ausmaß, Überschwemmungen in Deutschland (Ahrtal 2021), Griechenland und Libyen (2023), ein Temperaturanstieg und das Abschmelzen von Eis, die beide möglicherweise noch stärker ausfallen werden als bisher prognostiziert. Diese Entwicklungen machen vielen Menschen Angst. Gleichzeitig werden endlose Diskussionen geführt, ob Tempolimits eine unzumutbare Freiheitsberaubung darstellen oder ob „wir in Österreich / Deutschland / etc.“ überhaupt Einfluss auf das globale Geschehen haben. Wissenschaftlich betrachtet, ziemlich irrationale Zugänge.
Es stellt sich die Frage, wie die eklatanten Widersprüche zwischen rationalem Verstehen, emotionaler Betroffenheit und Handeln möglich sind.

Die aktuelle – und großteils noch vor uns liegende – Transformation unserer Gesellschaft durch den Klimawandel zeigt wie in einem Brennglas viele Phänomene von Change, die wir auch aus unserer täglichen Arbeit mit Veränderungsprozessen in Organisationen kennen.

Wir gehen grundsätzlich von der Überzeugung aus, dass Menschen nicht aus Böswilligkeit „Widerstand“ leisten, sondern einen aus ihrer Sicht logischen Grund dafür haben, etwas nicht zu wollen oder nicht wahrhaben zu wollen.

Häufig stecken – ähnlich wie bei Change in Organisationen – Ängste aller Art vor Veränderung dahinter. Angst vor dem Verlust liebgewordener Gewohnheiten, wie Autofahren oder in den Urlaub fliegen, oder die Angst vor einer ungewissen Zukunft. Aber auch die Angst vor dem Verlust der eigenen Identität und Status, wie das eigene große Haus im Grünen, der Swimmingpool, oder die Ferienwohnungen.

Aber wer sagt schon offen, dass er Angst hat?

Im Kontext von Change in Organisationen besteht ein häufiger Umgang mit der eigenen Angst, die man sich nur ungern eingesteht, darin, Sachargumente vorzuschieben, Fakten in Frage zu stellen und zu relativieren.

Frederic Laloux, der sich mit seiner Bewegung „The Week“ dem Thema Klimawandel verschrieben hat, beschreibt sechs typische Abwehrmechanismen (©), die Menschen nützen, um sich der Auseinandersetzung mit persönlichen Veränderungen durch den Klimawandel zu entziehen.

  • Tune Out: „Da höre ich schon nicht mehr zu.“ Dies dient dem Selbstschutz, um sich den Dokumentationen und Diskussionen zu entziehen, da diese als überfordernd empfunden werden.
  • Denial: „Das glaub ich nicht wirklich.“ Die Komplexität und Vielschichtigkeit des Themas sowie der schleichende Charakter der Veränderung erleichtern diese Haltung. Aus dem Management ist dieses Phänomen als „strategischer Drift“ bekannt“ – der schleichende Verlust von Wettbewerbsvorteilen, weil Entwicklungen nicht wahrgenommen werden.
  • I already know this: „Das weiß ich ja eh schon alles.“ Man stellt sich als Wissender dar und argumentiert, sich nicht mehr damit auseinandersetzen zu müssen, obwohl man noch kaum oder zu wenige Maßnahmen dagegen ergriffen hat.
  • Wishful thinking: „Na so schlimm wird es ja nicht werden.“ Man unterstellt, dass die Personen, die auf die Dramatik hinweisen, übertreiben, um gehört zu werden.
  • I’ll be ok: „Mich betrifft das Ganze ja eh nicht so.“ Für die Gesellschaft als Ganzes kann das schon Bedeutung haben, aber ich werde es schaffen, mich zu retten.
  • Jumping to solutions: „Ich habe eh schon ein E-Auto und leiste meinen Beitrag.“ Eine Art der Problembewältigung, die wir aus dem Management als „Aktionismus statt langfristiger Problemlösung“ kennen. Es besteht die Gefahr, dass man sich zu früh mit sich selbst zufrieden gibt und sich nicht auf den Veränderungsdialog einlässt.

Wer kann sich nicht mit der einen oder anderen dieser persönlichen Verdrängungsstrategien identifizieren?

Die Herausforderung im Umgang mit persönlichem Widerstand besteht darin, die tatsächlichen Ursachen und individuellen Denklogiken der Betroffenen zu ergründen. Sind es tatsächlich sachliche Bedenken, die den Widerstand auslösen, oder handelt es sich um individuelle Rationalisierungsmechanismen persönlicher Emotionen, wie Angst oder Ärger, oder schlicht um die Verteidigung eigener Interessen?

Hinweise auf die emotionalen Ursachen von Widerstand liefert uns das Modell der Change-Kurve. Mehr dazu in einem folgenden Insight.