Am Puls der Veränderung bleiben oder diese mitgestalten

„Wir brauchen endlich wieder Stabilität“, „… wenn es wieder ruhiger wird …“, oder „In den nächsten Wochen wird es  sicher weniger turbulent“ – Aussagen, die wir in unseren Workshops oder Gesprächen immer wieder hören. Der Wunsch nach mehr Beständigkeit ist deutlich spürbar. Es mag Fälle geben, in denen es „gerade im Moment“ dynamisch zugeht, danach aber tatsächlich wieder Ruhe einkehrt. Fakt ist, hier handelt es sich um Einzelfälle.

Die Unsicherheit ist gekommen, um zu bleiben. Wir müssen mit Unsicherheit umgehen lernen: als Privatpersonen, als Gesellschaft, als Organisationen. Es gilt also, Organisationen so zu gestalten, dass sie nicht lediglich im Krisen- oder Reaktionsmodus agieren, sondern fit für die nahe und weitere Zukunft sind.

Was bedeutet dies nun? Zukunftsfit heißt nicht „so aufgestellt zu sein, dass unplanbare Ereignisse eine Organisation nicht be- und überlasten“. Es geht vielmehr darum, dass die Organisation in der VUCA-Welt handlungsfähig bleibt und Chancen und Opportunitäten nützt.

Hierbei sind agile Ansätze hilfreich. Nur auf agile Arbeitsweisen alleine zu vertrauen ist allerdings nicht ausreichend. Zukunftsfitness erfordert eine ganzheitliche Betrachtung. Sie umfasst „harte Faktoren“ wie Strategie, Steuerung und Strukturen genauso wie „weiche Faktoren“ wie Führung und Kultur. Die konkrete Ausgestaltung hängt selbstverständlich von unternehmensspezifischen Faktoren ab. Hierbei lohnt es sich, einige zentrale Aspekte zu berücksichtigen oder in Erinnerung zu rufen.

Strategie und Steuerung

Es ist kein Geheimnis: Die Zeiten, in denen langfristige und umfangreiche Strategiepapiere mit detailliert geplanten Maßnahmen Sinn machten – wenn das überhaupt jemals der Fall war – sind vorbei. Einerseits, weil die Realität die besten Strategien und Maßnahmen nicht selten überholt. Andererseits, weil sich gezeigt hat, dass wirksame Umsetzung nicht losgelöst von Strategieentwicklung sein kann, sondern idealerweise ein lebendiger Prozess ist.
Als wirksam hat sich die Strategiearbeit erwiesen, die entlang einer klaren Ausrichtung – Ambition, Vision, Purpose, strategischen Stoßrichtungen oder Zielen – die Konkretisierung und Umsetzung sehr kurzfristig, iterativ und adaptiv gestaltet, d.h. das Lernen und Nutzen von Opportunitäten, erlaubt. Somit wird durch Beteiligung die Verantwortung und das Gefühlt der Verantwortlichkeit (Accountability) breit verankert. Ein konkreter Ansatz, der sich hier vielfach bewährt hat, ist OKR (Objectives & Key Results).

Strukturen

Strukturen umfassen grob gesprochen alles, was die Zusammenarbeit und das Verhalten der Menschen in- und außerhalb der Organisation lenkt. Wir denken dabei an Prozesse, Rollen, den Aufbau der Organisation oder Kommunikationsstrukturen, aber auch andere verhaltensleitende Strukturen, wie etwa Anreizsystemen oder Arbeitszeitmodelle. Natürlich gilt hier: Die konkrete Ausgestaltung hängt stark von der Natur der Organisation, vom Geschäftsmodell, der Branche etc. ab. Wesentlich ist, dass bei der Ausgestaltung der Organisation folgende zentrale Fragen im Mittelpunkt stehen: „Was soll die Organisation leisten können?“ und „Was sind die „Designkriterien“ für die Organisation?“ Neben unternehmensspezifischen Aspekten sind diese in der VUCA-Welt agile Prinzipien: die Organisation als „Team of Teams“ zu sehen. Die basalen Bausteine sind also Teams ­– Teams, die idealerweise innerhalb eines definierten Rahmens relativ autonom agieren, interdisziplinär bzw. cross-funktional zusammengesetzt sind und von den Prozessen und Mindset her konsequent am Markt bzw. am Kunden (externe wie auch interne) ausgerichtet sind. D.h. die Frage nach dem Nutzen, der Wirkung und der Leistung für die Kunden bzw. die jeweiligen Stakeholder steht stets im Mittelpunkt und wird durch Prozesse, Methoden und Rollen systematisch unterstützt. Die konkrete Organisationsform kann dabei von der klassischen Matrix bis hin zu sehr flachen, hierarchiearmen Organisationsformen oder Mischformen (von Kotter als „duale Betriebssystem“ skizziert), reichen. Zukunftsfitte Organisationen sind idealerweise so aufgestellt, dass sie auf volatile Bedingungen rasch reagieren können, weil die Strukturen flexibel aufgestellt sind und/oder Wandel, Veränderungsbereitschaft und -fähigkeit hoch ausgeprägt sind. Dann ist im Idealfall auch tiefergreifender struktureller Wandel, wie Umbau ganzer Units, Merger o.ä. zwar nicht ohne Anstrengung, aber ohne große Kollateralschäden gestaltbar.

Führung und Kultur

All dies funktioniert allerdings nur so gut, wie funktional, wie „passend“ die Führung dafür aufgestellt ist und die Organisationskultur die diversen Strukturen fördert und konstruktiv handlungsleitend wirkt. Führung in zukunftsfitten Organisationen heißt also, (auch dies hier mehr als Erinnerung statt vollkommen neuer Erkenntnis): weniger ein hierarchisches, sondern mehr ein coachendes Führungsverständnis. Führende Kräfte im Unternehmen sind solche, die Kontext gestalten, Orientierung geben, immer wieder den Sinn vermitteln bzw. zu verstehen helfen, unterstützen und passende Rahmenbedingungen schaffen. Führungskräfte, die eine Kultur des Lernens, der Offenheit, der aufrichtigen Kunden- und Menschenorientierung entwickeln und sichern. Eine Kultur, die Führung nicht nur als ein Konzept für Führungskräfte versteht, sondern das gesamte System der „führenden Kräfte“ (das können auch Prozesse oder Werte sein) sieht. Last but not least, eine Kultur, die nicht übersieht, dass jeder Mensch in der Organisation sich selbst führt bzw. führen sollte und für seine/ihre Entwicklung (mit-)verantwortlich ist und diese gestalten kann. Eine Kultur, die sich auf den eigenen „Circle of Influence“ besinnt und damit Selbstwirksamkeit und Resilienz auf organisationaler sowie individueller Ebene stärkt.

Diese Art von Führung und Organisationskultur unterstützt in Zusammenwirken mit einer zeitgemäßen, zukunftsorientierten Strategiearbeit sowie der entsprechend „fitten“ Organisation auch auf längere Sicht einen „gesunden“ Umgang mit Unsicherheit. , Chancen und Opportunitäten können so bewusst und schnell genutzt werden, um  am Puls der Umweltveränderung zu bleiben oder diese sogar aktiv – Stichwort Innovation mitzugestalten.