Führungsentwicklung als Organisationsentwicklung

Führungsentwicklung mit dem Ziel der individuellen Befähigung beziehungsweise Entwicklung von Führungskräften im Sinne einer »Schulung« ist nach wie vor ein stark verbreiteter Ansatz am Markt: Führungskräfte nehmen für eine bestimmte Zeit Seminare, Trainings und Coachings zu unterschiedlichen Aspekten der Führungsarbeit in Anspruch, um danach – ausgerüstet mit einer Reihe an Tools und Konzepten – wieder in ihren Führungsalltag zurückzukehren. Unserer Erfahrung nach greift diese Form der Führungsentwicklung jedoch zu kurz, wenn wirksame Veränderung in einer Organisation stattfinden soll. Hierzu braucht es ein Verständnis von Führungsentwicklung als Organisationsentwicklung, da Führungshandeln in ständiger Wechselwirkung mit den Zielen und der Kultur der Organisation steht.

Gemeinsame Entwicklung an realen Herausforderungen

Wirksame Führungsentwicklung muss aus unserer Sicht zwei parallele Maßnahmen umfassen: die Entwicklung individueller Führungskompetenzen und ihre Einbettung in die Strategie, Strukturen und Haltungen der Organisation. Dies kann beispielsweise durch die Einbeziehung von Top-Führungskräften im Rahmen von Mentorensystemen, die gemeinsame Thematisierung der Strategie als Führungsherausforderung sowie die Etablierung funktionsübergreifender Peer Groups mit konkreten Projektaufträgen realisiert werden. Dabei steht Führungsentwicklung nie für sich alleine, sondern muss sich inhaltlich konsequent an konkreten Businesszielen und Herausforderungen orientieren.

Grundlegende Prämisse unserer Führungsentwicklungsprogramme ist es, dass Führungslernen anhand von aktuellen Herausforderungen im eigenen Unternehmenskontext stattfindet: Was jeden von uns wirklich beschäftigt – gedanklich und emotional – bietet den geeigneten Ausgangspunkt, um Energie für Entwicklung freizusetzen. Die eigenen Business-Ziele der Teilnehmer sowie die aktuellen Schwierigkeiten und Spannungsfelder aus ihrem Führungsalltag bestimmen daher maßgeblich das Lerngeschehen.

Eine der wirkungsvollsten Interventionen in diesem Zusammenhang möchten wir Ihnen nicht vorenthalten: Das gemeinsame Herstellen von Transparenz über die Business-Ziele in der Organisation sorgt unserer Erfahrung nach zuverlässig für Aha-Erlebnisse sowie eine angeregte Diskussion über bestehende Zielkonflikte oder Unschärfen in deren Formulierung. Die allerorts geführte Diskussion über Silo-Denken und die damit verknüpfte Herausforderung, das übergeordnete Ziel der Organisation nicht aus den Augen zu verlieren, sind auf diese Art und Weise schlagartig für alle sichtbar und besprechbar.

Teams übergreifend zusammensetzen: Silos abbauen in der Praxis

Neben Transparenz braucht es für einen aktiven Abbau von Silos allerdings noch etwas mehr – wir nützen das Setting einer Führungsentwicklung daher konsequent, um in funktionsübergreifenden und gegebenenfalls standortübergreifenden Gruppen zu arbeiten. Diese Art der Gruppenzusammensetzung ist für Teilnehmer anfangs häufig unverständlich und stößt zum Teil auch auf Widerstand. Die Erfahrung zeigt allerdings, dass diese Form der »unüblichen« Team-Zusammensetzung völlig neue Perspektiven auf Herausforderungen in der Organisation hervorbringt und maßgeblich zum allmählichen Abbau von Abteilungsdenken beiträgt. Um diese Entwicklung zu beschleunigen, kommt ein weiterer Erfolgsfaktor wirksamer Führungsentwicklung ins Spiel: das Schaffen von vertrauensvollen, persönlichen Beziehungen am Arbeitsplatz.

Vertrauensvolle Beziehungen aufbauen

Spätestens seit Edgar Schein wissen wir um die Bedeutung von Beziehungsqualität für eine erfolgreiche Zusammenarbeit und dennoch sind persönliche Beziehungen am Arbeitsplatz nach wie vor rar: Man spricht in der Regel zwar höflich, aber rein funktionsbezogen miteinander.

Erfolgreiche Führungsentwicklung kann und muss aus unserer Sicht dazu beitragen, eine Verbesserung der Beziehungsqualität zu schaffen, damit das Team mehr wird als nur die Summe der einzelnen Funktionsträger. Durch gezielte (und sicherlich auch fordernde) Auseinandersetzungsprozesse mit den eigenen Mustern, Stärken, Schwächen und Erwartungen sowie einen strukturierten Austausch zu diesen Themen wird die gemeinsam geteilte Informationsfülle – der »öffentliche Bereich« des Johari-Fensters – vergrößert. Dieser Auseinandersetzungsprozess auf persönlicher Ebene, die offenen Rückmeldungen zu den Wirkungen des eigenen Verhaltens, das Erleben des gemeinsamen Wachsens in einer Atmosphäre der Offenheit und wechselseitigen Wertschätzung – all das zusammen schafft ein  Vertrauensklima und ermöglicht eine neue Qualität der Zusammenarbeit.

Unverzichtbar: das Commitment der Top-Führung

Um wirksame Führungsentwicklung wirklich in Schwung zu bringen, ist das deutliche und sichtbare Commitment der Top-Führung zentral. Das Top-Management hat wie sonst auch im Change die Möglichkeit, durch Vorbildwirkung eine Aufbruchsstimmung in der Organisation zu erzeugen. Darüber hinaus benötigt eine wirksame Führungsentwicklung regelmäßig den Kontakt zum Top-Management. In Vorstandsmeetings, Abteilungsleitungsgesprächen, Kamingesprächen oder anderen Formaten braucht es Raum und Zeit, um Führung und Führungskultur immer wieder zum Thema zu machen und als Top-Management Ansprechpartner für Unsicherheiten, Richtungsfragen oder andere Themen im Prozess zu sein.