Über UBER

Wien, Mittagszeit. Ich suche ein Restaurant auf www.tripadvisor.com, wähle eines aus und staune nicht schlecht, denn gleich unter der gefundenen Adresse wird mir eine Anfahrt per UBER angeboten: acht Euro kostet die Fahrt, Abholung in neun Minuten. Wer oder was ist dieser UBER? Ich recherchiere: eine Alternative zur bekannten Taxi-Vermittlung, die aus meinen  Such- und Standortdaten ein Angebot für mich errechnet. Der Anspruch von UBER: die weltweit führende Plattform für die Vermittlung von Fahrdiensten zu sein. Gegründet wurde die Plattform 2009 im Silicon Valley und finanziert wird sie über Venture Capital in Höhe von 1,5 Milliarden US-Dollar. Der Marktwert beträgt 50 Milliarden US-Dollar – zum Vergleich: voestalpine und
Andritz liegen bei je zirka sechs Milliarden.

Digitale Momente

Ein Messwert eines Sensors, verknüpft mit Ort und Zeit sowie mit Ihrer Identität, ist an und für sich recht unscheinbar. Doch die Verknüpfung und strukturierte Verarbeitung der Daten kann ganze Branchen umwerfen. Plattformen beherrschen das Business Der größte Beherbergungsbetrieb hat keine eigenen Betten und das größte Taxi-Unternehmen kein eigenes Auto, sondern vermietet sogar verfügbare Leihautos zum Beispiel von Sixt. Ein ganz neuer Blick aufs Business. Die Plattform orchestriert die Services und dreht damit ganze Wertschöpfungsketten um. Kurze Lunte, lauter Knall Dort wo in bestehenden Systemen die größten Ineffizienzen sitzen, befinden sich auch die beliebtesten Angriffsziele für disruptive Innovation, besonders dann, wenn die (Dienst-)Leistung durch eine skalierbare Plattform erbracht werden kann. Der Angriff kommt dabei meist nicht aus der eigenen Branche, sondern scheinbar harmlos »von unten« mit einfachen, aber schlauen Dienstleistungen, die verständlich, leicht zugänglich sowie preislich überaus attraktiv sind, alles im Tausch gegen umfassende Benutzerdaten versteht sich. Manche sprechen vom digitalen Strudel, in den es jede Branche hineinzieht – wann, ist nur eine Frage der Zeit. Auch die Dramatik des Wandels im Geschäftsmodell ist branchenspezifisch. Den disruptiven Wandel beschreibt Deloitte in ihrer »Disruption Map nach Industrien«. Dabei bezeichnen sie treffend die Zeitdauer als Länge der Lunte und den Impact im bestehenden Geschäftsmodell als Stärke des Knalls.

Digitale Begriffe

IoT – Internet der Dinge beflügelt die Fantasie

Jede Branche wird durch das Internet of Things (IoT) beeinfl usst. Capgemini hat dies für sechs Branchen ausgewertet und nach drei Dimensionen unterschieden: Auswirkung auf die Kundeninteraktion, auf die operativen Prozesse und auf das gesamte Geschäftsmodell. Am intensivsten betroffen sind – wenig überraschend – die operativen Prozesse in der industriellen
Produktion, die Kundeninteraktion im Handel und die Geschäftsmodelle bei Versicherungen sowie bei Energieunternehmen. Ein Beispiel, wie das IoT Unternehmen dazu bringt, innovativ zu denken und sich auf der digitalen Spielwiese auszutoben, ist die von Metaio entwickelte Augmented Reality App für Ikea, die über den Bildschirm eines Smartphones virtuelle Möbel in den eigenen vier Wänden platziert.

Industrie 4.0

Selbstständig arbeitende, untereinander vernetzte und kommunizierende Systeme, auch Cyber Physical Systems (CPS) genannt, stehen nach der Mechanisierung, Elektrifizierung und Automatisierung für die vierte industrielle Revolution. Bei logistischen Systemen läuft die Transformation direkt vernetzt: datengetriebene Ad-hoc-Agilität statt geplanter, modellgetriebener Flexibilität, selbststeuernd statt zentral gesteuert. Tracking von Gütern, papierlose Intralogistik und autonome Transportsysteme minimieren Kosten sowie Fehler.

Arbeit 4.0

Kunden kooperieren direkt mit Computern, die Unternehmensgrenzen lösen sich immer mehr auf, in der Fertigung interagieren Menschen mit intelligenten Robotern auf »Augenhöhe« und die Führung dislozierter Teams erfolgt über Skype: Auch die Arbeitswelt ist in einem digital getriebenen Umbruch. Noch dramatischer sind die Plattformdienste für Klickworker: www.DesignCrowd.com vermittelt Gestaltungsaufträge und www.Upwork.com (vorher oDesk) ist mit neun Millionen Freelancern und vier Millionen Kunden die größte Freelancer-Vermittlungsplattform.

Big Data

Massendatenanalyse zur Mustererkennung läuft immer mehr ohne Modellbildung. Vorhersagen von Verbrechen und Krankheitsausbrüchen, gezielter Ressourceneinsatz in der Politik vor Wahlen und vor allem die maßgeschneiderten Angebote für Konsumenten sind so Realität geworden. Big Data-Auswertungen sind bereits ein attraktives Business: Netflix, aber auch das Wiener Unternehmen Emersys beherrschen das Arbeiten mit der B2C Marketing Cloud. Dass die US-Kaufhauskette Target recht treffsicher aus alltäglichem Kaufverhalten Schwangerschaften diagnostiziert und UBER auf Grund des Fahrverhaltens von Kunden auf das One-Night-Stand-Ausmaß je Stadtquartier schließt, stößt an moralische Grenzen.

Digitale Geschäftsmodelle

Analoge Geschäftsmodelle folgen oft einer bestimmten Logik: Auf die Produktion folgt das Marketing/der Vertrieb und alles endet beim Kunden. Digitale Geschäftsmodelle beginnen überwiegend beim Kunden und sind über Serviceprozesse an die Plattform gebunden. Die smarte Produktion in der Logik von Industrie 4.0 steht am Ende dieser verlängerten Wertschöpfungskette. An dieser Stelle sei der Vorsitzende des Lenkungskreises der Plattform Industrie 4.0 zitiert: »Wir müssen in Geschäftsmodellen denken! Ich habe die Sorge, dass wir tolle Technologien entwickeln, aber andere den Geschäftserfolg haben werden.« Aus der Beobachtung des technikverliebten Zugangs zu 4.0 in Deutschland und Österreich kann man das nur unterstreichen. Eine hoch flexible Produktion, die sich selbst steuert, interne und externe Datenquellen integriert und Losgröße eins schafft, bringt noch nicht den Geschäftserfolg. Plattformen werden die Gewinner sein.

Digitale Transformation

Erst die Verknüpfung von Führungskompetenz und digitaler Fähigkeit bringt digitale Meisterschaft. Bei Energieversorgern und Industrie überwiegt die Führungskompetenz, bei Reisen und Telekom die digitale Fähigkeit. Für alle gilt, dass sich auch die Organisation für das digitale Zeitalter transformieren muss:

  • Hierarchie wird durch vernetzte Rollen abgelöst.
  • Organisationsgrenzen weichen sich auf.
  • Verstärkte Selbstorganisation ausgerichtet auf den Zweck der Organisation.
  • Mehrere Rollen mit laufender Weiterentwicklung statt fixer Stellenbeschreibung.
  • Transparenz und Verbindlichkeit.
  • Strukturierte Meetings und kraftvolles Feedback.

Organisationsmodelle wie Holacracy, Soziokratie und Laloux-Ansätze bekommen viel Aufmerksamkeit als Gegenmodell zu herkömmlichen Organisationsstrukturen, die oft noch Züge des Taylorismus in sich tragen.

Resümee

Digitale Transformation: die meisten Branchen sind schon mitten drin – ob sie es wahrhaben wollen oder nicht. Was hilft: Offenheit, Neugierde und auch persönliches Ausprobieren.

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