Jetzt müssen Sie sich auf Ihre Kultur verlassen können

Arbeit an der Unternehmenskultur ist kein Schönwetterprogramm. Das gilt umso mehr in Zeiten, in denen uns die Pandemie dazu zwingt, gut eingeübte Verhaltensweisen über Bord zu werfen, mit alten Erfolgsmustern zu brechen oder bisherige Haltungen zu überdenken.

Stress und äußerer Druck zeigen ein Verhalten, das unsere wirkliche Kultur, basierend auf unserer Unternehmens-DNA, zum Vorschein bringt. In normalen Zeiten werden diese Grundüberzeugungen und wahren Werte allzu oft von rigiden Strukturen, sinnfreien Prozessvorschriften oder unternehmenspolitischem Gerangel verschüttet. Mühevolle Kulturinitiativen und Wertekampagnen versuchen die wahren Potenziale freizulegen, was jedoch nur selten gelingt.

Und dann gibt es noch jenen Typ einer Unternehmenskultur, der für den zukünftigen Erfolg bedrohlich ist: Eine Kultur, die auch zu Krisenzeiten Lernen und Innovation blockiert, die keinen positiven Spirit auslöst und in den Erfolgsmustern des 20. Jahrhunderts (Command und Control Führung, bürokratische Strukturen, Effizienzparadigma,…) stecken geblieben ist.

Kultur als Potenzial oder Barriere?

Beide Situationen sind gute Gründe, den kulturellen Potenzialen Ihres Unternehmens nachzuspüren. Entweder weil es darum geht, jene positive Kultur, die während der Coronakrise spürbar wurde, auch in das „New Normal“ mitzunehmen und sich von restriktiven kulturellen Barrieren zu lösen. Oder weil Mindset und Verhalten während der letzten Monate klar sichtbar gemacht haben, dass in „unserer Kultur nicht mehr Potenziale drinnen sind“. Und damit können mit den bestehenden Mustern die wirtschaftlichen Herausforderungen und die Dynamik des Umfelds ohne eine fundamentale Kulturtransformation sicher nicht bewältigt werden.

Bereit für eine Übung?

Wir laden Sie dazu ein, an einem kleinen Experiment teilzunehmen, um das Potenzial Ihrer Unternehmenskultur zu ergründen. Es ist simpel: Stellen Sie einer Gruppe an Personen in Ihrem Unternehmen folgende 2 Aufgaben:

„Was würden Sie einem Freund oder einer Freundin, die in Ihrem Unternehmen arbeiten möchte, raten: Wie soll sich diese Person verhalten, um in Ihrem Unternehmen nicht aufzufallen, d.h. sich genauso zu verhalten wie alle anderen?“

Bitten Sie die Person diese Frage rückblickend auf das Jahr 2019, vor dem Start der Coronakrise, zu beantworten (notieren Sie Anmerkungen in einer linken Spalte).

Dann bitten Sie die Person dieselbe Frage, unter Berücksichtigung der außergewöhnlichen Ereignisse, die wir im Zuge des Kampfs gegen das Coronavirus erlebt haben, zu beantworten (notieren Sie Anmerkungen in einer rechten Spalte).

Sehen Sie sich die Antworten in den beiden Listen an und gehen Sie einen Schritt weiter. Starten Sie mit „Warum-Fragen“: „Warum verhalten wir uns so wie von Ihnen beschrieben? Was sind zugrunde liegende Überzeugungen und Werte, die uns dazu bringen uns auf gewisse Weisen zu verhalten?“

Markieren Sie dann die Unterschiede zwischen den beiden Listen.

Versuchen Sie nun, in den Unterschieden die Potenziale zu erkennen

Vielleicht haben manche der von Ihnen befragten Personen in einem ersten Schritt die Unternehmenskultur wie folgt beschrieben: „Wir denken hauptsächlich in Silos, wir versuchen unserem Chef zu gefallen und versuchen Fehler so gut als möglich zu vermeiden.“ Andere haben die zweite Frage eventuell mit diesen Worten beantwortet: „Wir arbeiten transparenter und sorgen uns mehr um KollegInnen aus anderen Departments. Während der Coronakrise haben wir weniger Angst Fehler zu machen und fragen nicht mehr so häufig um Erlaubnis – wir vertrauen unserem Menschenverstand.“

Falls Sie auf derartige Unterschiede wie im obigen Beispiel gestoßen sind, haben Sie große Potenziale Ihrer Unternehmenskultur entdeckt. Die wahren Überzeugungen und Wertvorstellungen, auf die das Unternehmen bauen kann, zeigen sich oft erst dann, wenn MitarbeiterInnen Ihre Komfortzone verlassen. Man kann es mit einem Schatz vergleichen, den Sie für nachhaltige Entwicklung und zukünftige Erfolge des Unternehmens verwenden können.

Etwas tiefer bohren?

Nach diesem Experiment lohnt es sich, Ihre Kultur vertieft zu erkunden. Dazu bieten sich vor allem qualitative Erkundungsmethoden an. Sie können zum Beispiel über eine analoge Übung ihre Kultur als Person von kleinen Gruppen von MitarbeiterInnen aus allen Unternehmensbereichen beschreiben und zeichnen lassen. Dabei hilft folgende Fragestellung:

„Stellen Sie sich vor, unser Unternehmen/unser Bereich wurde über Nacht in eine Person verwandelt und kommt gerade bei der Tür herein…“ wie sieht diese Person aus? Alter, Geschlecht, Kleidung, besondere Merkmale – Wie verhält sich diese Person? Hobbies, Interessen, Vorlieben, typische Verhaltensweisen, Urlaubsorte etc.

Und dann arbeiten Sie heraus, was diese Person stark macht, wo sie ihre Schwächen hat, wie diese Person mit Herausforderungen umgeht, wie man diese Person zu neuem Verhalten bringt – dabei bekommen Sie hervorragende Hinweise für Qualitäten und Barrieren Ihrer Unternehmenskultur.

Oder Sie organisieren Fokusgruppen und lassen diese Ihre Unternehmenskultur nach den von ICG entwickelten „12 Brillen“, beschreiben:

Danach beantworten Sie auf Basis dieser Beschreibungen zwei Fragen: Welches gefundene Verhalten und Mindset wird die Bewältigung unserer künftigen Herausforderungen und der damit einher gehenden Business-Ziele unterstützen? Und: Welche Muster werden uns daran hindern bzw. welche werden wir als Barrieren oder „Roadblocker“ erleben?

Wie aber entfalten Sie diese Potenziale in der Zukunft?

Sie haben das Glück, dass Sie in Ihrer Kultur attraktive Potenziale gefunden haben? Dann geht es als nächstes darum, diese nachhaltig zu verankern, um den künftigen Unternehmenserfolg zu sichern.

Um Unternehmenskultur zu transformieren ist es notwendig, dass Personen neue Erfahrungen machen. Nur mithilfe von neuen Eindrücken kann eine Entwicklung hin zu einem anderen Verhalten und Mindset stattfinden. Heute gibt uns die Coronakrise die Chance, alte Muster unserer Unternehmenskultur zu hinterfragen, schneller zu reagieren, widerstandsfähiger und verantwortungsbewusster zu werden. Aber werden wir diese Entwicklungen beibehalten?

Menschen und Organisationen tendieren dazu, positive Verhaltensmuster und Erfahrungen schnell zu vergessen, sobald sich auch der Kontext oder die Situation wieder verändern. Alte Strukturen, traditionelle Verhaltensmuster und Machtspiele können schnell wieder in den Vordergrund rücken. Daher ist es wichtig, jetzt aktiv zu werden.

Wir empfehlen, folgende 5 Hebel zu nutzen, um Kultur nachhaltig zu beeinflussen:

  1. Schaffen Sie einen sicheren Raum, in dem Menschen Erfahrungen machen können, um kontinuierlich ein neues Mindset zu entwickeln. Als Unterstützung dafür können Sie die Rapid Results Methode ausprobieren, die auf agilen Prinzipien beruht.
  2. Werden Sie störende Rahmenbedingungen los, wie hinderliche Strukturen, Prozesse und Systeme. Reduzieren Sie Komplexität in Ihrer Organisation und fokussieren Sie sich auf agile Prinzipien wie Kundenorientierung, Einfachheit, schnelle Lernzyklen und selbstorganisierte Teams.
  3. Fördern Sie Führungskräfte deren persönlichen Wertvorstellungen mit den angestrebten organisationalen Werten übereinstimmen. Personen, die den Worten Taten folgen lassen, die ihrem Menschenverstand vertrauen und politische Machenschaften vermeiden. Am wichtigsten ist, sich von Führungskräften zu verabschieden, die den angestrebten Wertvorstellungen entgegenstehen und konträr dazu handeln.
  4. Organisieren Sie Lern- und Kommunikationsformate, die Personen die Chance geben, über ihr Verhalten zu reflektieren. Verwenden Sie Zeit in Meetings dafür, authentische Konversationen über Annahmen zu Geschäftsentwicklung, Emotionen und Überzeugungen zu führen.
  5. Unterstützen Sie die Verbreitung von Erfolgsgeschichten und Symbolen, die Anzeichen für eine „neue“ Unternehmenskultur sind. Teilen Sie die Geschichten, die echte Wertschätzung gegenüber dem neuen Mindset und Verhalten zeigen. Diese Geschichten sollten bei einem Kaffee zwischen den KollegInnen ausgetauscht werden, als Zeichen, dass sie stolz sind Teil des Unternehmens zu sein.

Haben Sie erlebt, dass Ihre MitarbeiterInnen und KollegInnen sich anders verhalten seit dem Start der Corona-Pandemie? Dann ist es Zeit das kulturelle Potenzial, das dadurch entstanden ist, zu erkunden.

Wenn Sie außerdem erwarten, dass das Geschäft nach Corona anders ticken wird und Sie mit alten Mustern brechen müssen, dann ist es höchste Zeit sich mit Ihrer Kultur zu beschäftigen und an einer nachhaltigen Kulturtransformation zu arbeiten.