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Kultur wandeln

Eine gewachsene Unternehmenskultur ist oft die zentrale Hürde für Transformationen in eine digitale und dynamische Zukunft. Eine Kultur zu verändern ist extrem herausfordernd – ein fundiertes Kulturverständnis und unsere sieben Hebel helfen dabei.

Die Liste der an ihrer Kultur gescheiterten Unternehmen ist lang. Darauf finden sich auch als unbezwingbar geltende Heros wie Nokia, Kodak, Lehman Brothers oder General Motors. Andere Unternehmen wie ING, IBM oder GE haben rechtzeitig an den richtigen kulturellen Stellschrauben gedreht und damit eine nachhaltige Business-Transformation geschafft. Aktuell erkennen viele große Konzerne die Wichtigkeit einer veränderten Kultur und initiieren Programme für die positive Transformation. Viel zu oft erlebt man dabei wunderbar inszenierte Kultur-Kampagnen, die in der Kultur selbst kaum etwas verändern können. Woran das liegt? Meist am fehlenden Verständnis dafür, was Unternehmenskultur eigentlich ist, wie sie entstanden ist und womit sie gestaltet werden kann. Grundlegend betrachtet, ist die Unternehmenskultur die Summe aller Werte, Normen und Denkhaltungen einer Organisation. Die Kultur definiert „Was wird im Unternehmen belohnt, was wird bestraft bzw. was muss man tun, um nicht aufzufallen?“ Vielfach folgt man diesen ungeschriebenen Gesetzen, ohne sich ihrer bewusst zu sein.

Grundstein für die Unternehmenskultur

Wie ein Unternehmen tickt, ist oft mit den persönlichen Werten und Überzeugungen der Gründer oder mächtiger Führungspersönlichkeiten in ihrer Geschichte verbunden. Liest man die Biografien von Ingvar Kamprat, Steve Jobs oder Elon Musk, bekommt man rasch ein Gefühl, worauf es bei IKEA, Apple oder Tesla ankommt. Langfristigen Impact haben dabei übrigens nicht nur die Helden eines Unternehmens, auch Despoten prägen nachhaltig. Die Angst ist in vielen Unternehmen noch 50 Jahre später im Alltag spürbar.

Eine zweite wichtige Quelle aus der die aktuelle Kultur gespeist wird, sind die Erfolgsgeschichten der Vergangenheit. Welches Verhalten hat das Unternehmen erfolgreich gemacht und welches kollektive Mindset hat sich dabei eingebrannt? Die meisten Mitarbeiter glauben an die „ungeschriebenen Gesetze zum Erfolg“ und kaum jemand wagt, diese offiziell zu hinterfragen.

Wer Kultur ändern will, muss sie zuerst verstehen

Edgar Schein, einer unserer wichtigen Lehrmeister, bringt sein Kulturverständnis so auf den Punkt: Kultur ist wie ein großer Eisberg. Über der Wasseroberfläche sehen wir Artefakte (Räume, Strukturen, Symbole, Sprache, …) und können offensichtliches Verhalten beobachten. Wie laufen Meetings ab, wie kommuniziert die Führung mit Mitarbeitern, wie geht man mit Risiken oder Konflikten um usw.
Unter der Wasseroberfläche liegen die meist nicht sichtbaren Einstellungen, die gelebten Werte und handlungsleitenden Prinzipien. Und ganz tief drinnen im Eisberg finden sich die Grundüberzeugungen, d.h. jene 1-2 Glaubenssätze, die die Identität des Unternehmens ausmachen. Diese werden nicht hinterfragt und sind damit schwer bis gar nicht zu verändern.

Ein Beispiel aus der Praxis. Bei einem internationalen Konzern war der Satz „Sei deines Glückes Schmied, pack jede Gelegenheit am Schopf und schau dabei nicht auf die anderen!“ als erfolgsbringende Grundüberzeugung in die DNA eingeschrieben. Überrascht es Sie, dass dieses Unternehmen seit über 10 Jahren damit kämpft, sein Business global zu steuern, Matrixstrukturen zu leben und nachhaltig in Innovation zu investieren?

Kultur ist nicht gut oder schlecht, Kultur ist

Bei der Bewertung einer Kultur geht es primär um die Betrachtung: Ist sie funktional oder dysfunktional für eine erfolgreiche Zukunft? Zieht sie die richtigen Menschen an? Produziert sie Verhaltensmuster und Überzeugungen, die zu den künftigen Anforderungen des Marktes und des Umfelds passen? Ganz wesentlich: Unterstützt diese Kultur unsere Visionen und Ambitionen, hilft sie Strategien umzusetzen oder bremst sie uns ein?

Die zentrale Frage: Wo behindert die Unternehmenskultur aktuellen und künftigen Erfolg und welche Kultur brauchen wir, um künftig erfolgreich zu sein?

CULTURAL TRANSFORMATION CANVAS

Kulturtransformation gestalten

Eine wirkungsvolle Weiterentwicklung der Unternehmenskultur beginnt mit folgenden drei Schritten:

Erstens: Halten Sie Ihre Zukunftsvorstellungen für Ihr Business fest. Wo soll sich Ihr Unternehmen hinbewegen? Am besten sie halten in einem Top Management Meeting die Essenz aller strategischen Vorstellungen und Papiere auf 2-3 Seiten fest.

Zweitens: Leiten Sie daraus die kulturellen Ansprüche für Ihre Unternehmenszukunft ab. Welches Verhalten benötigen wir für die Umsetzung unserer Strategie? Welche Werte und Glaubenssätze sind in dieser Zukunft erfolgskritisch? Dazu empfehlen wir einen Workshop mit dem Top Management, um die Wirkungszusammenhänge zwischen Kultur und Business gemeinsam herauszuarbeiten. Dabei entstehen gemeinsame Vorstellungen zur Wunschkultur über Geschichten, Bilder sowie lebhaften Beschreibungen.

Drittens: Erkunden Sie die bestehende Kultur. Welche Artefakte lassen sich beobachten? Welche Glaubenssätze und ungeschriebenen Gesetze gelten? Welche unerschütterlichen Grundüberzeugungen leiten das Handeln?

Methoden der Kulturanalyse

Es gibt zwar unzählige Fragebögen zur Kulturanalyse, wir empfehlen zur Kulturerkundung auf alle Fälle dialogische und analoge Explorationsmethoden einzusetzen. Folgende Methoden wenden wir erfolgreich in der Praxis an:

1 . Analoge Darstellungen
Mitarbeitergruppen entwerfen Bilder von Personen, die diese Kultur symbolisieren. Dazu hilft folgende Fragestellung: Angenommen unser Unternehmen wurde über Nacht in eine Person verwandelt. Wie sieht diese aus? (Alter, Geschlecht, Kleidung, Hobbies, Merkmale, Verhaltensmuster, etc.) Anschließend lässt sich das Verhalten dieser Person bezogen auf Zukunftsthemen, Veränderungsnotwendigkeiten etc. erkunden und die Essenz der Erkenntnisse auswerten.

2. Workshops mit bunt zusammengestellten Mitarbeiter-Gruppen
Man initiiert einen Dialog anhand der Dimensionen des Cultural Web. Welche Heldengeschichten und Symbole finden wir, welche Tabus gibt es, was wird bestraft/belohnt, wie macht man Karriere, wie ist der Umgang mit Kunden, wie verhält sich die Führung, wie wird kommuniziert, welche Strukturen und Regelwerke leiten uns, wie lernen wir?
In diesen Workshops werden Einschätzungen aus unterschiedlichen Perspektiven erhoben und dominante Muster herausgearbeitet. Auf diese Weise kommt man den Grundannahmen auf die Spur. Besonders wirksam und lustvoll sind „szenische Darstellungen“ (Sketches) von dominanten Verhaltensmustern, die helfen die Grundannahmen auch emotional zu erspüren.

3. Außensichten einholen
Explorationsinterviews mit Schlüsselkunden bzw. internen Prozesspartnern oder eine Einladung zu einem Workshop (mit ähnlichen Fragestellungen wie in Mitarbeiter-Workshops) tragen dazu bei, dass die Unternehmenswerte auch mit der Außenbrille erörtert werden.

4. Arbeit mit Archetypen
In einem inspirierenden Workshop lassen sich im Austausch über Archetypen dominante Muster erkunden und die Kultur wird besprechbar gemacht.

Kulturelle Spannungsfelder bestimmen

Basierend auf der Kulturerkundung und den kulturellen Ansprüchen des Business lässt sich gut der kulturelle Entwicklungsbedarf herausarbeiten. Dazu eignet sich eine einfache Liste mit drei Spalten:

Sieben Hebel um Kulturwandel zu bewirken

Kultur kann niemals direkt verändert werden. Aus dem dysfunktionalen Muster „Bei uns werden Fehler sozial sanktioniert, deshalb sind wir alle vorsichtig“ wird niemals direkt das folgende Wunschverhalten „Wir trauen uns etwas und erproben Neues, dabei passieren natürlich Fehler, aus denen wir für die Zukunft lernen können“ entstehen. Am wenigsten hilfreich – und trotzdem oft betrieben – sind Kulturkampagnen, Roadshows, Events oder Indoktrinierungsveranstaltungen. Mit diesen Formaten wird lediglich viel heiße Luft produziert und eine schöne neue Welt versprochen, wenig davon landet im Tagesgeschäft. Das Resultat: wachsender Zynismus der Belegschaft und eine vertane Chance auf echten Wandel.

Welche Hebel bewirken nun einen gelungenen Kulturwandel? In der Begleitung zahlreicher Entwicklungsprozesse haben sich folgende sieben Ansatzpunkte besonders bewährt:

 1. Mit geänderten Verhaltensweisen und Überzeugungen neue Erfolge generieren
Dazu braucht es Experimentierräume – in der agilen Sprache heißt das Sprints, Rapid Results oder Initiativen, in denen kleine Gruppen ermuntert werden, neues Verhalten zu erproben. Wenn sie damit erfolgreicher sind als mit bisher gelebtem Verhalten, entstehen neue Glaubensätze. Braucht es z. B. in der Wunschkultur mehr Kooperation und weniger Silodenken sind  Sprints in „crossfunktionalen“ Teams ein guter Treibstoff für neue Verhaltensmuster.

 2. Menschen mit dem „richtigen“ Mindset an die Macht bringen
Menschen orientieren sich an den Mächtigen – genau deshalb sind personelle Entscheidungen (Neueinstellungen, Karriereschritte oder Abberufungen) entscheidende, weil kulturprägende Maßnahmen. Es braucht in der Führung Menschen deren persönliches Wertegerüst und Glaubenssätze sich mit der Wunschkultur decken.

 3. Systeme & Strukturen anpassen
Strukturen und Systeme (Organisationen, Regelwerke, Honorierungssysteme, Performance Management, ….) beeinflussen das Verhalten und damit die Entwicklung der ungeschriebenen Gesetze. Um einen Kulturwandel zum Beispiel in Richtung „mehr Kollaboration“ zu bewirken, darf die Bezahlung von Führungskräften und Mitarbeitern nicht nur an Einzelerfolgen festgemacht werden. Strukturen und Systeme müssen die Entwicklungen in Richtung einer Wunschkultur unterstützen. Das erfordert den Mut, Silos umzubauen, traditionelle Systeme über Bord zu werfen und neue Systeme konsequent einzuführen.

 4. Kulturprägende „Räume“ schaffen
Menschen werden von ihrer Umgebung beeinflusst. Die Kultur von Stadtbewohnern ist eine andere als die der Landbevölkerung, Bergbewohner ticken anders als Insulaner. Auch Artefakte wie Büros, Besprechungsräume, Kundenzonen oder Werksgebäude beeinflussen stark das Leben, das darin möglich ist. Im Sinne des Prinzips „Outside – In“ brauchen kulturelle Transformationen auch räumliche Veränderungen und einen „Umbau“ von Artefakten.

 5. Bewegende Kommunikationsformate leben
Kommunikationsrituale, Tänze, Feste und ähnliches beeinflussen seit Jahrtausenden Stammeskulturen. Die Rituale der Organisation des 21. Jahrhunderts sind Meetings, Pitches, Führungskonferenzen, Town Halls, Mitarbeiterveranstaltungen, Workshops, Off-Sites etc. Diese gilt es im Sinne der Wunschkultur anders zu gestalten, um damit die Unternehmenskultur aktiv zu beeinflussen. Ist zum Beispiel „mehr Transparenz und Offenheit“ das Ziel, braucht es Kommunikationsformate, die diese Werte erlebbar machen. Powerpoint-Schlachten oder inszenierte Show-Veranstaltungen werden ersetzt durch Formate wie Tactical- oder Governance-Meetings aus Holocracy, Go to Gemba, dialogorientierte Settings in Workshops oder Großgruppenveranstaltungen. Mit guten Kommunikationsformaten kann Kultur ganz leicht positiv beeinflusst werden.

 6. Mindset-Change bei Führungskräften anstoßen
Ein Kulturwandel findet nicht ohne Entwicklung von Führung statt. Führungskräfte müssen selbst der Ort der kulturellen Erneuerung werden. Am besten beginnt man mit einer Reflexion eigener Werte und Überzeugungen. Dabei werden sich Führungskräfte ihrer Vorbildrolle für das Verhalten von Mitarbeitern bewusst. Wünscht man sich zum Beispiel künftig eine Kultur der Verbindlichkeit und mehr Eigenverantwortlichkeit, dann gelingt das nur, wenn Führungskräfte selbst Vereinbarungen konsequent einhalten. Wenn sie voll in die Verantwortung gehen und damit dem Motto „mir nach“ statt „vorwärts“ folgen. Dieser Hebel lässt sich nur durch gemeinsame Entwicklungen von Führungsteams bewegen (das gilt für Vorstände genauso wie für Führungsteams am Shopfloor).
Dazu braucht es persönliche Reflexionen und Tiefgang in Führungsteams, wo gemeinsam neue Verhaltensweisen erlebt und unmittelbar in den Alltag übertragen werden. Aus dieser gemeinsamen Kulturarbeit in einem Führungsteam werden für Mitarbeiter praktisch spürbare Impulse angestoßen.

 7. Symbole nutzen und Geschichten verbreiten
Menschen orientieren sich an Symbolen (dazu gibt es leider auch viele negative Beispiele in der Geschichte) und lieben es, Geschichten weiter zu erzählen. Ein Kulturwandel braucht glaubwürdige Symbole der Wunschkultur. Im Film „Invictus“ zeigt Nelson Mandela durch Hartnäckigkeit, wie die Symbolik gedreht werden kann und ein geeintes Land die „Springbocks“ bei der Rugby WM 1995 in Südafrika bis zum Titel anfeuert. Für die Wirkung der Symbole ist Glaubwürdigkeit und Authentizität entscheidend, vor aufgesetzten Kampagnen ist dringend abzuraten. Auch Geschichten beeinflussen die ungeschriebenen Gesetze ganz besonders stark. Heldengeschichten der Vergangenheit leben bis ins Heute weiter. Ein wirkungsvoller Kulturwandel lässt neue, positive Geschichten entstehen, die eine neue kulturelle Ära einleiten und von Menschen gerne mit Stolz weitererzählt werden. Starke Emotionen und das Gefühl „da will ich dabei sein“ entwickeln eine ungeahnte Kraft.

Kulturwandel ist eine spannende Reise in eine unvorhersehbare Zukunft. Er kann niemals vorab im Detail geplant werden. Für einen gelungenen Kulturwandel braucht es einige Überzeugungstäter, starke Pioniere und die Einladung zum Mitmachen. Es lohnt sich, den zuvor beschriebenen Prinzipien zu folgen. Zusätzlich ist ein langer Atem gefragt. Idealerweise ist die Begeisterung ansteckend, schließlich gibt es kaum etwas Spannenderes, als die Unternehmenskultur fit für die Anforderungen der Zukunft zu machen.

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