Jahrelange Erfahrung, inspirierende Vordenker und ein Netzwerk aus kreativen Köpfen sorgten um die Jahrtausendwende an der Universität Stanford für den letzten großen Wurf in der Innovationstheorie: Design Thinking. David Kelley und Larry Leifer, beide federführend in der Entwicklung des Konzeptes, kreierten einen Hype, der mittlerweile in nahezu allen Branchen angekommen ist, der Start-Ups wie auch große Konzerne gleichermaßen beschäftigt und der hinsichtlich seiner Vielseitigkeit der Interpretations- und Nutzungsmöglichkeiten wohl noch lange seinesgleichen suchen wird.

Entwickelt wurde Design Thinking als ein Konzept, ein Rahmen, ein gedankliches Gerüst – genutzt um den kreativen Prozess in Unternehmen zu stimulieren und zu leiten. Es bietet eine Möglichkeit, einen Weg durch das kreative Chaos eines Innovationsprozesses zu zeigen und Produkte sowie Dienstleistungen auf Basis der tatsächlichen Bedürfnisse und Wünsche von KundInnen zu entwickeln.

Seitdem der Hype um das Konzept Design Thinking nun in den letzten Jahren von der Nische in den Mainstream drängt, vielerorts 1-Tages-Seminare die Expertise versprechen, und kaum ein hochwertiges Wirtschaftsmagazin ohne dessen Erwähnung erscheint, erheben sich auch die ersten kritischen Stimmen. Einerseits von Unternehmen, die den Versprechungen der immer größer werdenden Community der selbsternannten Design Thinker folgten und den erwarteten Erfolg nicht unmittelbar erleben durften. Andererseits von wahren ExpertInnen – Innovationskundigen seit vielen Jahren. Diese kritisieren, dass mit der Popularität und der breiten Nutzung die zu Grunde liegenden Prinzipien von Design Thinking immer mehr in den Hintergrund rücken. Die Auseinandersetzung mit dem Konzept wird übergangen und der so oft zitierte Prozess des Design Thinking beinahe linear – als wäre er eine neue Form des Six Sigma – in Unternehmen implementiert. Dabei ist gerade Design Thinking bemüht, endlich aus linearem Denken auszubrechen und sich zwar systematisch aber dennoch iterativ in Denk- und Handlungsschleifen einem innovativen Ergebnis zu nähern.

Ein Prozess, dazu gedacht den Weg durch das kreative Chaos aufzuzeigen, wird stattdessen nun dazu genutzt, um dieses gänzlich zu meiden. Aus einem gedanklichen Gerüst zur Stimulierung und Anleitung des kreativen Prozesses ist allzu oft eine Art Betriebssystem geworden, das in seiner linearen Implementierung dieselben Probleme entstehen lässt, mit denen viele Modelle zur Veränderung von Arbeitsprozessen kämpfen.

Hört man auf die leisen Zwischentöne der Gründerväter in ihren Vorträgen und Impulsen, sind es andere Schlagworte, die im Vordergrund stehen: Mindset, Creative confidence, Creative potential. Die Prinzipien des Design Thinking waren dazu gedacht, eine Veränderung im Denken und Tun von MitarbeiterInnen zu erzeugen. Der Prozess dient lediglich als Hilfestellung, um sich nicht im Wirrwarr der Ideen zu verlaufen.

Fingerspitzengefühl als Zauberwort

Für Tim Brown, CEO von IDEO, steht unmissverständlich fest, dass Design Thinking am Ende eine Fähigkeit ist, deren Verinnerlichung viele Jahre braucht. Unternehmen, die nicht genügend Energie darauf verwenden, die Prinzipien des Design Thinking auf nachhaltige Weise im Unternehmen zu verankern, werden sich mit inkrementellen Verbesserungen und kurzlebigen Innovationen anfreunden müssen.

Selbst SAP, ein Konzern, der mit seinem Aufsichtsratschef Hasso Plattner wohl einen der stärksten Fürsprecher von Design Thinking sein Eigen nennen darf, investiert Jahr für Jahr enorme Energie in den kulturellen Wandel eines traditionellen Software Unternehmens hin zu einem agilen innovativen, kundenorientierten Vorzeigeunternehmen für Design Thinking. MitarbeiterInnen von SAP bestätigen, dass trotz der Bekanntheit von Design Thinking im Unternehmen wohl noch einige Jahre ein langer Atem notwendig sein wird, bis alle Abteilungen den frischen Wind der Veränderung bei der täglichen Arbeit spüren und sich von traditionell gewachsenen, behäbigen Arbeitsweisen verabschieden.

Werte und Prinzipien im Wandel

Liest man in den Medien von solchen Beispielen, scheint es oft als bräuchte es nicht mehr als eine Führungskraft mit Überzeugung und einer geeigneten Strategie zur Umsetzung, um den Erfolg zu garantieren. Leider ist jedoch auch dies zu linear gedacht, alleine schon weil man in den seltensten Fällen auf der grünen Wiese agiert. Vielmehr muss über eine tiefe Auseinandersetzung mit den Grundprinzipien der Methodik ein Weg gefunden werden, das Neue mit der vorhandenen Unternehmenskultur zu verknüpfen. Aus unserer Erfahrung kann Design Thinking der Schlüssel zu einer neuen Arbeitsweise sein: kundenzentriert, am Punkt, problemlösend. Jedoch nur, wenn erkannt wird, dass eine Einführung desselben ein Change Prozess ist, der sich nicht von selbst erledigt. Erfolgreiche Unternehmen schaffen die Voraussetzungen für Veränderung bevor die Veränderung passiert: Sie erzählen MitarbeiterInnen nicht nur von den Vorteilen, sondern lassen diese selbst den Unterschied erleben. Dabei gestalten sie die Veränderung gemeinsam mit dem Willen von oben und der Tatkraft von unten, halten die Prinzipien von Design Thinking hoch und reflektieren diese wiederkehrend. Plötzlich erkennen sie, dass sie Design Thinking leben, ohne mit viel Aufsehen einen Prozess implementiert zu haben.

Die Frage ist somit nicht, ob es ein Modetrend ist, sondern was man als Unternehmen aus diesem Modetrend macht. Es liegt an jedem Einzelnen daraus das sprichwörtliche kleine Schwarze zu machen – ein zu Beginn zwar modisches, bei längerer Betrachtung jedoch zeitloses Erfolgsrezept.