Wie Sie mit der Leadership Formula sicher durch die Krise kommen

Der erste Schock der Covid-19 Krise ist überstanden, aber die Krise dauert an. Viele Unternehmen haben damit begonnen, erste Lernschleifen zu ziehen, das bisherige Krisenmanagement auszuwerten und vorläufige Szenarien zu zeichnen. Welche Konturen und Bilder zeigen sich? Hat sich die Businessumgebung nachhaltig verändert? Wenn ja, wie? Was sind jetzt die Herausforderungen für Führung? Und vor allem: Wo sind die Hebel, was ist jetzt sinnvoll zu tun?

Wir gehen zunächst auf die zwei großen Herausforderungen ein, welche so gut wie alle Unternehmen derzeit beschäftigen. Und zeigen dann, wie Sie die Leadership Formula als Kompass nutzen können, um auf Sicht und sicher durch die Krise zu führen.

Führung steht jetzt vor zwei großen Herausforderungen

Gespräche mit mehr als 50 Führungskräften in den vergangenen drei Wochen zeigen uns, dass sich in Folge von Pandemie, Lockdown und den nun startendem Wiederanlauf für viele Führungskräfte und Organisationen zwei Meta-Herausforderungen gleichermaßen stellen. Die These ist: Es werden jene Unternehmen erfolgreich aus dieser Krise hervorgehen, welchen es gelingt, diese 2 Herausforderungen erfolgreich zu meistern.

  1. VUCA[1] ist der Kern der „neuen Normalität“!

Es ist nun allgemeingültig: VUCA gilt für alle und überall! Als wir in den letzten Jahren mit Führungskräften aus Österreich, Deutschland und der Schweiz die Dynamik der Veränderung im Silicon Valley oder in den großen Metropolen der chinesischen Ostküste diskutierten, haben wir oft – auch in Konzernumgebungen – Sätze wie diese zu hören bekommen „Ja, aber bei uns gehen die Uhren schon anders: Da fließt die Veränderung allmählich dahin durch die 12 Hierarchieebenen.“ (Automobilzulieferer). Oder „Wir wollen mal die Kirche im Dorf lassen, bei uns garantiert letztlich die Politik für unseren Bestand.“ (Luftfahrtindustrie). „Wir sind erfolgreich, weil unser Planungs- und Budgetprozess seit vielen Jahren derselbe ist und sich eben nicht ändert“ (Gesundheitsbereich).

Seit März ist die Welt eine andere. Auch in den zitierten Unternehmen. Nichts hat wirtschaftliche Abhängigkeiten, die Vernetztheit der Unternehmen und die Rasanz von Geschehnissen deutlicher gezeigt als die Covid-19 Pandemie. Im Spätherbst 2019 gab es erste Fälle in China, nur drei Monate später stand die europäische Wirtschaftswelt still. So gut wie alle Branchen und Unternehmen sind betroffen, die einen mussten Produktion und Leistungen zurücknehmen (v.a. Industrie), andere sind existenziell betroffen (zB. Eventbereich), andere wiederum in ihren Kernleistungen extrem gefordert (Gesundheitsbereich, Arbeitsmarkservice) und wiederum andere konnten profitieren (zB: Lebensmittelhandel, Pharmaforschung). Auch wenn die Infektionszahlen jetzt einmal stark gesunken sind und dem Lockdown das sukkzessive Hochfahren der Wirtschaft folgt: Es ist derzeit schlicht uneinschätzbar, wann die ´neue´ Normalität wirklich ´normal´ sein wird. Wie ist die Prognose für den Herbst? Wird die Wirtschaft wieder anlaufen? Wird das Virus in einer zweiten Welle zurückkommen? Wann wird es eine Impfung geben? VUCA wird bleiben: für alle. Jedenfalls für die nächsten zwei bis drei Jahre, solange bis ein serienreifer Impfstoff entwickelt oder ein wirksames Medikament gefunden ist. Wer die Krise meistern will, muss seine Organisation so aufstellen und führen, dass sie damit umgehen kann.

  1. Die Virtualisierung hat einen Turbo bekommen – Schubumkehr nicht mehr möglich!

Home Office, virtuelle Teammeetings, „bitte muten“, MS-Teams Einführung im Schnellverfahren, Townhalldialoge auf Zoom oder Bewerbungsgespräche via Skype – diese Stichworte und Situationen haben die letzten Wochen geprägt. Die Konsequenz aus diesen neuen virtuellen Erfahrungen gemeinsamen Arbeitens: Die Transformation von einem Präsenzmodus des Zusammenarbeitens zur virtuellen Zusammenarbeit hat mit Covid-19 eine unwiderrufliche Beschleunigung erfahren.

In unseren Kundenumfeldern machen wir folgende Beobachtungen: Wo Anfang des Jahres gegenüber dem Home-Office noch große Skepsis herrschte („nicht kontrollierbar“), werden jetzt neue Betriebsvereinbarungen mit großzügigen HO-Regelungen angepeilt. Wo virtuelle Trainings bislang undenkbar waren, werden nun selbst Leadership-Programme via Zoom durchgeführt. Wo Budgets für Flugreisen bislang ein üppiger Budgetposten waren, wird nun (verstärkt) in Richtung Digitalisierung umgesteuert. Nicht überall in gleichem Ausmaß, manchmal noch zögerlich, manchmal mit singulären Pilotprojekten. Aber im Jahresvergleich wird deutlich, dass hier ein exponentieller Schub angestoßen wurde, der unsere Unternehmen fortan prägen wird.

Ein Turbo, der Führungskräfte abrupt vor eine Vielfalt an neuen Herausforderungen gestellt hat, z.B : Wie kann ich überhaupt (noch) Einfluss auf unsere Team- und Unternehmensperformance nehmen, wenn ich meine Mitarbeitenden vorwiegend nur mehr virtuell sehe? Was hilft mir, die gewohnte Kontrolle loszulassen, wie kann ich nötige Selbststeuerung in meinem Team fördern? Wie gelingt es mir, im virtuellen Raum einen guten Rahmen für Dialog und vertrauensbildende Gespräche zu schaffen? Wie kann ich Beziehung herstellen, wo am Bildschirm alle irgendwie unnahbar wirken?

Ein Turbo, der aber auch schon in den wenigen Wochen nach dem Start eine Vielzahl an positiven Erfahrungen und Potenzialen gezeigt hat wie z.B.: Senkung von Reisekosten; Versachlichung der Kommunikation unter virtuellen Bedingungen, damit verbunden Effizienz, Zielorientierung, Aufmerksamkeit in Meetings; Termintreue und Pünktlichkeit in Meetings; Aufbrechen verkrusteter nicht-funktionaler Teamdynamiken und damit verbunden neue Chancen für MitarbeiterInnen, die sich bisher nicht so gut einbringen konnten sowie verstärkte Attraktivität für junge „Talents“.

Auch für die Challenge Turbo-Virtualisierung gilt: Wer die Krise meistern will, muss seine Organisation so aufstellen und führen, dass sie damit umgehen kann, d.h. die Stolpersteine aus dem Weg zu räumen und die Chancen und Potenziale zu nutzen.

Auf Sicht führen mit der Leadership Formula

AL = PS x RO
Agile Leadership = Psychological Safety x Results Orientation

Die ICG Leadership-Formula haben wir in den letzten Jahren in unserer Auseinandersetzung mit erfolgreichen Start-Ups und agilen Unternehmen entwickelt und mehrfach beschrieben (z.B.: 2020-02-27, Leadership Formula: A Landscape for an Agile Leader)

Nach unseren Erfahrungen und Gesprächen in den letzten Wochen eignet sich die Leadership Formula gerade jetzt angesichts von VUCA Verallgemeinerung und Turbo-Virtualisierung in besonderer Weise als Führungskompass – ergänzt um die Dimension der virtuellen Kompetenz.

ACL = PS x RO x VC
Agile Crisis Leadership = Psychological Safety x Results Orientation x Virtual Competence

Organisationen und ihre Führungskräfte sind derzeit wie im Nebel unterwegs. Der kann sich zwar zwischendurch lichten, sich genau so schnell aber auch wieder verdunkeln. Überraschungen in Topographie und Gelände können meist gar nicht vorhergesehen werden. Das plötzlich auftauchende Schneefeld oder ein unerwarteter Abhang machen schnelles vor Ort Handeln unumgänglich. Auch ein unverhoffter Felsdurchbruch, der einen schnellen Aufstieg ermöglichen könnte, will spontan genutzt werden können. Führen auf Sicht ist hier gefragt. Ein vorsichtiges abgestimmtes Weiterbewegen, ein auf Rufweite in Kontakt bleiben, auch wenn die direkte Sicht aufeinander nicht mehr gegeben ist. Denn die Erfahrung jedes einzelnen Teammitglieds kann jetzt wichtig sein. Es braucht den Einsatz virtueller Kommunikationstechnologien dort besonders, wo der Nebel den Zuruf verschluckt. Schließlich hilft Schwarmintelligenz, um im unbekannten Terrain eine möglichst realistische Perspektive zu gewinnen, die Risiken und Potenziale sehen zu können. Dann können gute nächste Schritte gesetzt werden. Und: Schwarmintelligenz kann dort besonders starke Wirkung entfalten, wo sie durch valide und aktuelle Daten der Terrainvermessung unterstützt wird.

Der Führungsfokus Psychological Safety heißt jetzt insbesondere

  • mit den einzelnen Teammitgliedern, die im Nebel nicht mehr sichtbar sind intensiv Kontakt zu halten und damit deren Eingebundenheit in Zusammenarbeit und ihr Vertrauen in diese zu fördern.
  • mit dem Team in einer regelmäßigen Abstimmung hinsichtlich der nächsten Schritte zu sein, z.B.: in Form von täglichen Stand-Ups.
  • auf Teamebene spontan Reflexionsräume zu eröffnen, wo Ideen, Bedenken, Sorgen und Kritik eingebracht werden können. Im Präsenzmodus wie insbesondere auch virtuell, um tatsächlich das Potenzial des Schwarms zu nutzen.
  • diese Reflexionsräume durch Fragen, Moderation und Dialogmethoden so zu gestalten, dass sich möglichst alle beteiligen können und sich ermuntert fühlen, das auch zu tun.
  • mit dem Team kurzfristige Feedbackschleifen einzuziehen, um zu überprüfen, wie die Zusammenarbeit gelingt — um deutlich zu machen, wo das Team mit seiner Zusammenarbeit steht, z.B.: in Form von Reviews

Der Führungsfokus Results-Orientation heißt jetzt insbesondere

  • Ziele anpassen: Welche Ziele sind angesichts der Situation realistisch?
  • Neue Ziele kommunizieren und organisationsweit Transparenz über Ziele und erwartete Ergebnisse herstellen (KPIs für alle Unternehmensteile und Teams; wenn mit OKRs gearbeitet wird, dann mit einem unternehmensweiten OKR Board, das für alle einsichtig ist).
  • Zwischenziele so formulieren, dass sie tatsächlich beim Steuern helfen und handlungsorientierend wirken, zB.: mit OKR-Methodik.
  • Ergebniserreichung gerade jetzt engmaschig überprüfen. Nutzen Sie dafür Zielemonitoring, Mikro-Umfragen und Pulse-Checks.
  • dass sich alle Mitarbeitenden bei all ihren Handlungen die Frage stellen: Wie trage ich damit zu den angestrebten Ergebnissen bei? Voraussetzung ist, dass sie die angestrebten Ergebnisse wirklich kennen. Mitarbeitende und Teams müssen schnell selbst überprüfen können, ob ihre Handlungen Wirkung zeigen oder ins Leere gehen.
  • Wichtig: Die Ergebnisse dieser Messungen brauchen Räume und Formate des Dialogs, in welchen sie gemeinsam besprochen und Schlussfolgerungen gezogen werden können (siehe auch oben unter Psychological Safety).

Der Führungsfokus Virtual Competence heißt ab sofort als inhaltliche Agenda die Virtualisierung konsequent vorantrieben und einen organisatorischen Rahmen zu schaffen, in welchem ihre Mitarbeitenden energievoll als remote Teams miteinander arbeiten können – denn darin liegt ab sofort die Zukunft. Die folgenden Punkte konkretisieren diese Agenda:

  • die IT-Infrastruktur an die neuen virtuellen Anforderungen anzupassen. Welche Investitionen und Upgrades sind notwendig? Welche Systeme wollen/ können/ dürfen wir – für welche Zwecke – nutzen?
  • dafür Sorge zu tragen, dass MitarbeiterInnen und Führungskräfte auf allen Ebenen die notwendigen Kompetenzen für gelingende Zusammenarbeit und Führung im virtuellen Raum erwerben.
  • der Frage der Gestaltung und Moderation von Teammeetings ausreichend Aufmerksamkeit zu schenken, z.B.: Können Rückmeldungen gleich visualisiert und für alle sichtbar werden; werden die TeilnehmerInnen auch emotional ´abgeholt´? Ist Kleingruppenarbeit zwischendurch möglich?
    Denn Schwierigkeiten des adäquaten Verstehens („Was meint der eigentlich?“, Worum geht es hier denn?“) und der passenden Einbindung von MitarbeiterInnen („Haben die auf mich vergessen?“, „Auf mich kommt es hier offenbar nicht mehr an!“) einhergehend mit technischen Problemen sind derzeit die Treiber Nummer 1 von Frustration, Resignation und Motivationsverlust. Teammeetings müssen daher so aufgesetzt sein, dass es für die Teammitglieder tatsächlich möglich ist, sich dort leichtgängig einzubringen.
  • der Frage der Gestaltung und Moderation von virtuellen Trainings, virtuellen Großgruppenmeetings oder aber auch virtuelle Ideation-Sessions ausreichend Aufmerksamkeit zu schenken. Alle diese virtuellen Meetings folgen jeweils eigenen, von der Präsenzlogik abweichenden Regeln und Gesetzmäßigkeiten. Diese wollen vorab genau überdacht und im Meetingdesign geplant werden, damit diese Meetings auch den Zweck erfüllen können.

Führungskräften im VUCA Nebel kann die neue Crisis Leadership Formula gerade jetzt ein wichtiger Kompass sein, um das eigene Führungshandeln zu orientieren und zu fokussieren. Im Kontext der beschriebenen drei Führungsausrichtungen wird es Teams, Abteilungen und Organisationen möglich,

  • auch virtuell Zusammenhalt zu spüren und eine gemeinsame Energie zu entwickeln
  • eine gemeinsame Ausrichtung mit Blick auf die angestrebten Ergebnisse zu finden
  • auch tatsächlich Verantwortung für diese Ergebnisse zu übernehmen.

Und damit ist für ein sicheres Navigieren durch das unsichere Terrain dieser Krise schon sehr viel gewonnen. Daher ab jetzt: ACL = PS x RO x VC!

[1] VUCA setzt sich aus den englischen Wörtern volatility (Volatilität, Flüchtigkeit), uncertainty (Unsicherheit), complexity (Komplexität) und ambiguity (Mehrdeutigkeit) zusammen. Seinen Ursprung findet der Begriff in den 90er Jahren an einer US-amerikanischen Militärhochschule, wo er zunächst die unsichere Situation nach dem Ende des Kalten Krieges beschreibt. Seit rund einem Jahrzehnt wird er auch im Management verwendet, um die Veränderung des Business Kontextes im Zuge der Digitalisierung zu beschreiben.