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Agile Verwaltung und NGOs - Das ICG-Modell

Agilität – ist das Konzept übertragbar?

Agilität ist seit einigen Jahren der Trend in der Organisationsgestaltung – jeder spricht oder schreibt von Agilität. Aber sind Agilität und agile Methoden wie Scrum, Design Thinking oder OKR auch 1:1 für die Verwaltung und NGOs geeignet? Oder braucht es Anpassungen und Erweiterungen oder gar Einschränkungen des Modells?
Mit diesen Fragen haben sich die ExpertInnen von ICG in den letzten Jahren intensiv auseinandergesetzt und ein Modell für Agile Verwaltung entwickelt.

Agilität in Verwaltung und NGOs – eine Standortbestimmung

Es gibt nicht sehr viele Beispiele agiler öffentlicher Organisationen. Kann das als Zeichen dafür gewertet werden, dass Agilität nicht geeignet ist für den öffentlichen Bereich?
Wenn man vorrangig negative Ausprägungen wie Misstrauenskultur, Fehlerintoleranz und das Vorherrschen bürokratischer, rechts- und neuerdings auch betriebswirtschaftlich dominierter Organisationsprinzipien betrachtet, würde dies auch nicht verwundern.
Oder fehlt es schlichtweg an den Methoden und Tools um dieses Modell in die Verwaltung zu übertragen?
Erste erfolgreiche Ansätze finden sich beispielsweise in der schwedischen Stadt Ängelholm, die seit Jahren als vielzitiertes und -besuchtes Beispiel für eine agile Verwaltung dient. Neuere Ansätze findet man vor allem in deutschen Kommunen wie Heidelberg und Karlsruhe.
In all diesen Beispielsverwaltungen finden sich folgende Elemente agiler Organisationen:

  • Neue und weitreichende Partizipationsmodelle
  • Anwendung agiler Arbeitsmethoden wie Kanban-Boards, Scrum, Design Thinking u.ä. und agiler Prinzipien in der Projektarbeit
  • (Großteils) Weitreichende Ansätze digitaler Transformation des Verwaltungshandelns

Heißt das nun, dass Agilität der neue Ansatz zur Transformation ganzer Verwaltungen oder NGOs ist – das neue Paradigma nach New Public Management und Good Governance? Und dass alle – in weiten Bereichen noch nicht umgesetzten – Ansätze dieser Bewegungen damit obsolet geworden sind?
Wohl nicht, denn viele dieser Methoden haben sich im Praxiseinsatz in Verwaltungsorganisationen bewährt und wurden durchwegs positiv evaluiert. Aus unterschiedlichsten Gründen wurden aber viele nicht längerfristig eingesetzt oder flächendeckend ausgerollt.
Und Hand aufs Herz: nur die Anwendung einiger agiler Methoden und innovativer Partizipationsmodelle wird nicht ausreichen, um den Nerv der Organisationen zu treffen und in einen gesamthaften Change zu münden.

Das ICG-Modell für die agile Verwaltung und NGOs

Das ICG-Modell für agile Verwaltungsorganisationen und NGOs beschreibt vor diesem Hintergrund einen (idealtypischen) Sollzustand und erhebt den Anspruch, ein Orientierungspunkt für Verwaltungsentwicklung im Sinne einer anzustrebenden Zukunftsvision zu sein. Es vereint praxiserprobte, aber zu wenig umgesetzte Elemente aus bisherigen Reformmodellen mit Prinzipien der Agilität. In einem gesamtheitlichen Change-Prozess sollten alle Elemente auf Sinnhaftigkeit und Nutzen für die jeweilige Organisation überprüft und im Sinne eines mehrjährigen Transformationsprozesses sequentiell umgesetzt werden.

Dezentrale Ressourcen und Entscheidungen

Die konsequente Verlagerung von Entscheidungen, Kompetenzen und Verantwortungen an die (Führungs-)Basis der Organisation zeigt in Evaluierungen üblicherweise wozu sie nachhaltig imstande ist: dezentrale Einheiten erreichen ihre Ziele mit weniger Mitteln und höherer Zufriedenheit der Führungskräfte und Mitarbeiter. Dass dazu entsprechende Rahmenbedingungen wie Ziel- und Leistungsvereinbarungen, ein funktionsfähiges Controlling und entsprechende Organisations- und Qualitätsstandards notwendig sind, versteht sich von selbst. Globalbudgetierung kann wohl als die Königsidee zum Thema „Dezentrale Ressourcen und Entscheidungen“ bezeichnet werden.

Wirkungsorientierung

Agile Steuerung beginnt mit Transparenz im Sinne einer breiten Verfügbarkeit aller benötigten Informationen. Hier geht es wohl stärker um eine grundsätzliche Werthaltung als – in Zeiten von breit zugänglichen Kommunikationstechnologien – um große organisatorische Maßnahmen.
Neben der Orientierung an Wirkungszielen als oberste Prämisse ist das Abgehen von lückenloser Kontrolle des Einzelfalls hin zu einem Kreislauf aus Zielsetzung-Planung-Steuerung der Durchführung und (Selbst-)Kontrolle zentrales Element moderner, agiler Steuerung. Also Selbstcontrolling statt überbordender Prüfung und Kontrolle.

Bürgerorientierung/Partizipation

Wie bereits oben erwähnt, steht dieses Element im Kern aller bekannten Agilitätsmodelle in Verwaltungsorganisationen – seien es beispielsweise die situationsbezogenen Arenen in Ängelholm oder die IQ-(Innovativ und Quer-)Workshops in Karlsruhe.
Die systematische Einbindung von Bevölkerung bzw. Zivilgesellschaft in die Lösungsentwicklung wird auch durch Nutzung digitaler Kommunikationsmöglichkeiten erleichtert und gefördert (siehe digitale Bürgerforen etc.).

Digitale Transformation

Digitalisierung ist aktuell wohl der stärkste Hebel der Verwaltungsentwicklung, und zwar sowohl verwaltungsintern (ELAK/elektronischer Workflow) als auch nach außen (E-Government).
Europaweit angewendete Prinzipien wie Once-Only oder Digital by Default fördern und fordern einen Paradigmenwechsel in der Kommunikation und Prozessgestaltung.

Agile Arbeitsweisen

Die passende Anwendung agiler Arbeitsweisen erhöht in unterschiedlicher Form die Effizienz und Effektivität des Verwaltungshandelns und zwar durch Methoden

  • zur Erhöhung der Kreativität und Ideenfindung, zum Erkunden und Experimentieren wie Design Thinking
  • zur Steigerung der Entwicklungs- und Umsetzungsgeschwindigkeit wie Scrum oder Arbeiten mit Sprints
  • zur Verbesserung der Qualität von Meetings wie Time-Boxing, agile Moderation oder Konsentmethode zur Entscheidungsfindung
  • zur Verbesserung der Kommunikation und Zusammenarbeit wie Kanban-Boards, Daily/Weekly Stand Ups, Review und Retrospektive

Raum für Innovation und Experimente

Nicht gerade eine Kernkompetenz Öffentlicher Einrichtungen. Dennoch: Agiles Projektmanagement, aber auch moderne Zugänge wie „Design Thinking“ o.ä. schaffen eine gute Basis für Lösungsansätze außerhalb des Tagesgeschäfts und von Standardroutinen. Anlässe dafür gäbe es genug, man denke nur an Sondersituationen wie die Flüchtlingskrise vor einigen Jahren.

Vernetzung/Kooperation

Hier machen gerade in den letzten Jahren Ansätze wie Verwaltungskooperationen, Cross-sektorale Kooperationen/Teams oder Shared Services von sich reden. Diese neue Form der Zusammenarbeit von Verwaltungsorganisationen miteinander aber auch mit externen Stakeholdern bewährt sich bei der Lösung komplexer Fragestellungen bis hin zu Budgetproblemen und bringt eine andere Qualität der Problemlösung und Akzeptanz der Ergebnisse.

Führung und Teamkultur

Führung in agilen Organisationen bedeutet mehr Unterstützung, Coaching und Zurverfügungstellung optimaler Rahmenbedingungen als das Managen mit Befehl und Anweisung. Über klare Zielvereinbarungen und entsprechende Freiräume wird die Selbstverantwortung und Selbststeuerung auf allen Ebenen angeregt. Teamziele und Teamverantwortung gewinnen höhere Bedeutung und lösen in komplexen Umwelten das Einzelkämpfer-Expertentum ab.
Professionelles HR-Management unterstützt diese Entwicklungen und leistungsorientierte, innovative Entlohnungsmodelle und Karrierepfade sowie professionelle Feedbackprozesse gewinnen mehr und mehr an Bedeutung.

Auf die Eingangsfragestellung zurückkehrend kann also die grundsätzliche Eignung des Agilitätskonzeptes respektive agiler Methoden für den öffentlichen Sektor mehr als bejaht werden.
Was allerdings offensichtlich fehlt ist eine klare (politische) Vision für dieses Modell, das Committment der Führungskräfte und die konsequente Umsetzung unter Befolgung der durchaus auch im öffentlichen Bereich anerkannten Prinzipien des Change-Managements.

 

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