Startups bieten ein optimales Milieu für Innovation. Im Gegensatz dazu ersticken reifere Unternehmen das Neue mitunter im Keim. Nun ist aber auch bekannt, dass erfolgreiche Konzerne innovativ sein müssen, um erfolgreich zu bleiben. Was sie dazu unbedingt brauchen, sind unternehmerische Führungskräfte und Mitarbeiter. Denn die fragen sich immer wieder: Was geht trotzdem? Und das macht den großen Unterschied.

Innovation entsteht im Zirkel der Unsicherheiten. Die Akteure müssen sich dabei mit Fragen auseinandersetzen, auf die es keine eindeutigen Antworten gibt: Welche Technologie setzt sich durch? Was wollen unsere Kunden morgen? Wie werden sich Trends entwickeln? Welche Krisen aber auch Chancen lauern hinter der nächsten Ecke? Wo kommen die nächsten guten Ideen her? Komplizierte Modelle helfen uns hier nicht weiter. Hinsetzen und nachdenken wird angesichts einer vernetzten VUKA-Welt (volatil, unsicher, komplex und ambivalent) zunehmend müßig.

Was geht anders?

Effectuation. Diese unternehmerische Logik beschreibt die Art und Weise, wie erfahrene Unternehmer in die Ungewissheit hineinhandeln und dabei Neues in die Welt bringen. So zeigen etwa aktuelle Forschungsergebnisse, dass erfahrene Unternehmer lieber bei vorhandenen Motiven und Mitteln starten als an eindeutigen Ergebniszielen zu feilen. Sie gehen los und tun das Machbare, anstatt sich mit ausführlichen Analysen und Plänen aufzuhalten. Sie überlegen »Was möchte ich aufs Spiel setzen?«, nicht „»Was könnte ich (bei Eintreten all meiner Annahmen) gewinnen?«. Unternehmerische Führungskräfte arbeiten mit denen, die mitmachen und handeln mit ihnen die Zukunft aus, anstatt die optimale Zielgruppe und die richtigen Partner zu beschreiben. Unterwegs optimieren sie die »Zufallsrendite« und beziehen Unerwartetes in ihre Vorhaben ein. Sie segeln in Richtung Indien los und entdecken unterwegs Amerika.

Geht nicht?

»Leuchtet ein, aber bei uns im Konzern geht das leider nicht!«, reagieren Führungskräfte und Mitarbeiter in reifen Organisationen reflexartig. Schließlich entscheidet man in Hierarchien, worauf die Aufmerksamkeit zu lenken sei. Man investiert in Prognose und Analyse, um die (auf dem Papier) ertragreichste Gelegenheit zu identifizieren. Scheitern ist unter allen Umständen zu vermeiden. Deshalb wird in strenger Arbeitsteilung gehandelt und jeder möchte sich auf allen Ebenen absichern. Dass reife Organisationen unternehmerisches Handeln eher hemmen als fördern, ist also evident. Auf Innovationskongressen steht daher die passende Kultur als Voraussetzung für mehr Innovation und unternehmerisches Handeln an vorderster Stelle. Dichtgefolgt von der passenden Führung. Zunächst müssten wir also eine Kultur schaffen, die unternehmerisches Handeln und Innovation fördert. Doch diese ist bei uns eben (noch) nicht in Sicht. Kulturwandel braucht nun einmal seine Zeit.

Geht doch?

Stellt sich natürlich die Frage: »Was ist der zweitbeste Weg?« Führungskräfte und Mitarbeiter können an sich selbst arbeiten, auch wenn die Rahmenbedingungen sich nicht von heute auf morgen ändern und unternehmerisches Handeln in der Organisation noch nicht üblich ist. Ein paar Tipps dazu:

  • Unterscheiden Sie Planbares von nicht Planbarem. Für alles eher Planbare nutzen Sie weiter die Methoden des Managements (Analyse, Ziele, Budget, Kontrolle). Setzen Sie auf erkundendes Handeln (Effectuation) für das Erschließen von Neuland.
  • Wenn Sie Ihre Mitarbeiter fragen, was sie zur Erreichung der Quartalszahlen getan haben, dann fragen Sie gleichzeitig was sie zur Erschließung von Neuland ausprobiert haben.
  • Hören Sie weniger auf »man sollte« und ermutigen Sie diejenigen, die bereit sind, ihre Zeit, ihr Wissen und ihre Energie in unsichere Vorhaben zu investieren.
  • Fördern Sie das Experimentieren. Schicken Sie einfache Schnellboote (statt komplizierte Containerschiffe) los, gesteuert von Captains, die sich mit Ideen und dem Willen zum erkundenden Handeln selbst selektieren.
  • Verzichten Sie auf die Frage »Was wird uns das bringen?« und fragen Sie stattdessen, wer im Boot ist, um die Idee auszuprobieren oder umzusetzen.
  • Denken Sie »Markt« statt »Hierarchie«. Wenn mein Chef (noch) nicht dabei ist, wer macht jetzt schon mit, auch wenn sich noch nicht objektiv darstellen lässt, was der Nutzen ist?
  • Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf Zufälliges und Ungeplantes. Wenn etwas wirklich schief geht, dann trägt es meistens auch Informationen im Gepäck, in denen Innovation schlummert. Achten Sie also auf eine gute Zufallsrendite.
  • Steuern Sie, indem Sie den Einsatz begrenzen: Wieviel Zeit, Geld, Reputation etc. darf beim Erkunden aufs Spiel gesetzt werden? Was sind die Grenzen (und nicht das Ziel) des unternehmerischen Handelns?
  • Feiern Sie elegantes (frühes, günstiges) Scheitern. Es ist OK, wenn ein Schnellboot umkehren muss, weil es in eine Richtung nicht mehr weiter geht. Das minimiert die Kosten und macht frei für neue Erkundungen.

Etwas geht immer

All das wird nicht von heute auf morgen die Kultur verändern. Es begünstigt jedoch das Entstehen von unternehmerischen Zellen. Zellen wachsen, vernetzen sich, breiten sich in Organismen (Organisationen) aus. Unternehmerisch handelnde Menschen gestalten die Zukunft auch unter widrigen Bedingungen. Praktisch jede Führungskraft kennt Geschichten, in denen Neues durch erkundendes Handeln gemäß Effectuation und nicht durch Planung entstanden ist. darauf kann man aufbauen, unternehmerische Zellen bilden und im eigenen Umfeld fördern. Man kann das Machbare unternehmerisch angehen, während andere noch an Kultur und Führung arbeiten. Auch das wirkt letztlich ganz einfach kulturverändernd.