… drum lasst uns HANDELN.

Die Ungewissheit bleibt. Keine schlechte Nachricht für diejenigen, die gerne unternehmerisch gestalten.

„Wir würden ja, aber die Situation ist noch zu ungewiss …“. Wie oft haben Sie in den letzten Wochen Sätze wie diesen gehört? Mittlerweile sollte uns klar sein: Die Ungewissheit geht nicht einfach wieder weg. Die nächsten Monate bleiben weitgehend unvorhersehbar. Es wird Zeit, dass wir Ungewissheit nicht nur „akzeptieren“ und mit ihr „leben lernen“, sondern sie als das begreifen, was sie ist: Eine Chance und Gelegenheit zu handeln, zu tun, zu machen. So wie das diejenigen tun, die zum Gestalten der Zukunft immer schon geradewegs ins Ungewisse gesteuert haben: Intrapreneure, Innovatoren und Macher.

Vorhersage funktioniert jetzt nicht

„Wenn wir mehr Daten sammeln und fundierte Analysen machen, dann können wir besser entscheiden.“ Wer würde dieser Logik widersprechen? Tatsächlich genau diejenigen, die unter Ungewissheit schon so einiges wertvolles in die Welt gebracht haben. „Nobody knows anything.“ sagt etwa Marc Randolph, Gründer von Netflix und sechs weiteren Startups. Man müsse etwas tun, bauen, verkaufen, machen … um beurteilen zu können, ob eine Idee etwas taugt. Und am Anfang eines neuen Weges lerne man in einer Stunde tun mehr als in 3 Monaten nachdenken.

Was Randolph hier auf Basis seiner eigenen Erfahrung beschreibt ist das, was die Forschung „Effectuation“ nennt: Eine Logik, nach der u.a. Entrepreneure durch „einfach machen“ unter Ungewissheit Neues in die Welt bringen. Machen, ohne vorher alles vorhersagen und planen zu müssen. Achtung: Wir sprechen hier nicht von aktionistischen oder heroischen ad-hoc Handlungen, sondern einem Tun auf Basis einer Handvoll Prinzipien.

Macher-Prinzipien nutzen

Machen „wenn keiner weiß wohin“, kann gelingen. Wenn man sich an Macher-Prinzipien orientiert, dann muss man dazu weder den furchtlosen Helden geben noch Kopf und Kragen riskieren. Für diejenigen, die jahrelang im Corporate Umfeld erfolgreich gemanagt haben, stellen diese Prinzipien jedoch so einiges auf den Kopf, was sie als „professionelles Vorgehen“ kennen. Wir stellen die Macher-Prinzipien daher den klassischen Management-Prinzipien gegenüber.

Mit diesen vier Effectuation-Prinzipien für Macher können Sie sofort loslegen:

  1. Starten Sie bei den Ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln.

Ergreifen Sie die Initiative auf Basis dessen, was Ihnen (sowohl persönlich als auch auf Unternehmensebene) unmittelbar zur Verfügung steht (was Sie haben, was Sie wissen und wen Sie kennen). Versuchen sie anfangs erst gar nicht, SMARTe Ziele festzulegen, um ein vorhersagebasiertes optimales Ergebnis zu erreichen.

  1. Legen Sie Ihren „leistbaren Verlust“ fest.

Verfolgen Sie interessante, aber ungewisse Gelegenheiten, auch wenn Sie den Nutzen oder Ertrag nicht vorhersagen können. Begrenzen Sie stattdessen Ihren Einsatz: Investieren Sie Ressourcen nur bis zu einer Höhe, bei der Sie es sich leisten können, Ihren Einsatz zu verlieren.

  1. Nutzen Sie das Unerwartete als Hebel.

Überraschungen sind gut in einem unsicheren Kontext. Neue Entwicklungen regen dazu an, ihre Möglichkeiten kreativ neu zu beurteilen und die Ziele kontinuierlich zu verändern.

  1. Holen Sie früh die „Freiwilligen“ ins Boot.

Versuchen Sie erst gar nicht, die „richtigen“ Partner zu finden – beginnen Sie mit denen, die verfügbar und bereit sind, sich früh im Prozess zu engagieren. Es geht darum, gemeinsam etwas zu schaffen, von dem alle, die sich engagieren, profitieren.

Bild: Macher-Prinzipien (Effectuation) vs. klassische Management-Prinzipien (Causation)

Nichts ist praktischer als eine gute Theorie

Erfahrene Entrepreneure wie Marc Randolph haben das Handeln nach diesen Prinzipien durch jahrelange Praxis intuitiv erlernt. Sie kommen dadurch ins Tun und Gestalten, wenn alle anderen noch an ihren Tabellen basteln.

Dass wir diese Prinzipien heute zum Gestalten in ungewissen Zeiten nutzen können, verdanken wir der globalen Beforschung von Entrepreneuren wie Randolph in den letzten 20 Jahren (siehe Literatur-Tipp weiter unten). Das Wissen um die Prinzipien ist also alles andere als neu, es erlangt jedoch mit den aktuellen Ereignissen besondere Bedeutung, auch – oder ganz besonders – abseits von Entrepreneurship im engeren Sinne. Sie sind tatsächlich das genaue Gegenteil dessen, was wir als kausale Managementlogik gelernt haben. Letztere geht allerdings implizit von einer vorhersagbaren Zukunft aus. Genau das finden wir derzeit nicht vor – das Umfeld ist VUCA. Es lohnt sich in dieser Situation, sehr bewusst in den prinzipiengeleiteten Machermodus umzuschalten.

In der Innovation immer schon hoch relevant

Die Fähigkeit, kontext- bzw. situationsabhängig zwischen Machermodus und kausaler Managementlogik wechseln zu können, ist besonders für Innovatoren bedeutsam.

Innovation beginnt dort, wo Menschen den Status Quo in Frage stellen und neue Lösungen entwickeln. Damit begeben sie sich in ein Feld besonders hoher Ungewissheit: Werden Kunden meine Idee lieben? Werde ich damit Geschäft machen können? Kann ich meine Idee (technisch gesehen) überhaupt realisieren? All das sind wichtige Fragen, auf die es anfangs noch keine eindeutigen Antworten gibt.

Ungewissheit so rasch wie möglich abbauen

Je radikaler eine Innovation gedacht ist, desto höher ist dabei auch der Grad der Ungewissheit. „Critical unknows“ rasch, günstig und systematisch abzubauen ist die Hauptaufgabe in der frühen Innovationsphase. Dies ist der Zweck von Innovationstools wie dem Lean Canvas, Design Thinking oder Lean Startup.

Bild: Ungewisseit abbauen als zentrale Aufgabe in frühen Innovationsphasen

All diese Tools greifen viel früher als das klassische Business Planning und der Stage-Gate-Prozess in der Corporate Innovation. Allerdings entfalten sie erst ihre volle Wirksamkeit, wenn Macher die Initiative ergriffen haben, die ersten Schritte gegangen sind und die größte Ungewissheit bereits abgebaut haben. Schritt für Schritt ist es dann sinnvoll, ein interdisziplinäres Team um das Projekt zu scharen, um die „critical unknows“ weiter abzubauen. Erst wenn durch dieses prinzipiengeleitete Machen die Ungewissheit signifikant abgebaut wurde, kann die Steuerung eines Innovationsprojekts getrost in eine klassische kausale Managementlogik übergeführt werden.

Nie wieder planen?

Auch wenn es anfangs so geklungen haben mag: Wir stellen gute Planung nicht in Frage. Je ungewisser jedoch die Ausganssituation, desto weniger sollte man sich mit Planung aufhalten – das kommt später! Will man Ergebnisse, sollte man diese (in Effectuation-Manier) kreieren, statt zu versuchen sie vorherzusagen.  „Wir würden ja, aber die Situation ist noch zu ungewiss …“? Gewisser wird es nicht, drum lasst uns Handeln.

Erste Schritte, um ins Tun zu kommen

Genug geredet. Was ist nun zu tun, damit Sie als Macher in Ihrem Unternehmen loslegen können?

  1. Handlungsanlass erkennen

Machen Sie sich Ihren brennendsten Handlungsanlass bewusst. Was treibt Sie da an? Das kann eine attraktive Gelegenheit sein, ein Problem, das nervt, eine Idee, die Sie begeistert, etwas wofür Sie brennen oder etwas, wofür Sie aus Ihrer Rolle heraus Handlungsbedarf spüren.

  1. Prinzip 1 „Mittelorientierung“ anwenden

Schreiben Sie auf, was Ihnen zur Verfügung steht das Sie nutzen können: Auf welches Wissen und welche Ressourcen können Sie zugreifen? Auf welche Beziehungen? Was kann – ausgehend von Ihren Mitteln – der erste Schritt sein?

  1. Prinzip 2 „Leistbarer Verlust festlegen“ anwenden

Legen Sie fest, was Sie im Scheiter-Fall zu verlieren bereit sind. Was können Sie aufs Spiel setzten – auch wenn es verloren sein könnte? Welche konkreten nächsten Schritte sind innerhalb Ihres leistbaren Verlusts möglich?

  1. Prinzip 3 „Umstände als Hebel nutzen“ anwenden

Werfen Sie einen Blick auf Ihr Umfeld: Welche der (geänderten) Umstände, Eventualitäten, Rückschläge, Rahmenbedingungen nehmen Sie wahr und setzen Sie dort den Hebel an. Wie können Sie aus den Zitronen der Ungewissheit Limonade machen?

  1. Prinzip 4 „Freiwillige einladen“ anwenden

Machen Sie eine Liste von Personen, die Sie für Ihr Vorhaben ansprechen und gewinnen könnten. Gehen Sie dabei bewusst nicht zu strategisch vor und sprechen Sie zeitnah offen Einladungen zum Mitgestalten aus. Lassen Sie zu, dass Diejenigen, die an Board kommen, mitbestimmen, wohin sich Ihr Vorhaben entwickeln wird.

Literaturtipp:

Unser prämiertes Fachbuch zum Thema: Michael Faschingbauer; Effectuation: Wie erfolgreiche Unternehmer denken, entscheiden und handeln; Schäffer-Poeschel 2017 (3. Auflage)